Home MusikInterviews Antiheld im Interview zu ihrem neuen Album “Disturbia” (05/21 – mit Rezension)

Antiheld im Interview zu ihrem neuen Album “Disturbia” (05/21 – mit Rezension)

Autor: Tobi
Antiheld (© Sandra Bertschinger)

(© Sandra Bertschinger)

Nachdem die Stuttgarter Band Antiheld 2014 gegründet wurde, gewann sie den Nachwuchswettbewerb Play Live und spielte 2015 schon auf dem Southside Festival. Beim Label Starwatch Entertainment erschien 2017 das Debütalbum “Keine Legenden”.

2018 dann wurde ein neuer Plattenvertrag bei Arising Empire unterzeichnet. Hier erschien 2019 der Nachfolger “Goldener Schuss”, mit dem die Band weiter voran kam, aber noch nicht entscheidend. Im April 2021 nun erschien das aktuelle Album “Disturbia”, und mit diesem schafften es die fünf Jungs auf Platz 21 der Charts.

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Die 51 Minuten der Scheibe werden mit “Sommer unseres Lebens” eröffnet, das kraftvoll einen Sommer feiert, in dem wir durch Zusammenhalt die Pandemie besiegt haben. Ein guter Song, den wir 2021 hoffentlich noch ausgiebig zusammen singen können – erschienen ist er allerdings bereits im Juli 2020, also durchaus zu früh zum Feiern.

Was das Stück klanglich schon andeutete, wird mit den restlichen elf Songs untermauert: Antiheld präsentieren sich auf dem neuen Album viel krachiger und brachialer als zuvor. War das Debüt damals noch recht poppig am Mainstream ausgerichtet, wurde es mit “Goldener Schuss” bei Arising Empire schon weit rockiger. Nun wird die Stimme von Frontmann Luca Opifanti auch gerne mal verzerrt und kommt auch sonst rauer daher, passend zur weit progressiver angerichteten Musik.

Bei “Motten um Licht”, “Chaos”, “Alles Gute für den Winter”, “Alles nichts” oder “Von Schmerz & Apotheken” wird gut abgerockt, “My Only Friend” oder “Oh bitte, mach mich ein letztes Mal kaputt” sind im Midtempo mit fetten Gitarrenriffs ausgestattet, und selbst das mit leichten Reggae-Grooves aufwartende “Himmelblau” und die balladesk anmutenden “Standing In Line” und “Wiegenlied” kommen nicht sanft daher.

Nicht nur mit “Irgendwo stirbt grad ein Kind” zeigen sich Antiheld hierbei textlich kritisch, mal – auch deutlich – der Kirche gegenüber, mal der Gesellschaft, es geht aber auch um Herz und Schmerz, allerdings tiefgründiger und besser als zuvor. Über das gut gelungene Album und einiges mehr führten wir ein Interview mit Gitarrist André Zweifel.

“Ich denke, dass wir mit ‘Disturbia’ grundsätzlich in einem Fahrwasser angekommen sind, in dem wir uns ganz wohl fühlen und auch bleiben werden. Etwas mehr Härte steht uns ganz gut.”

MUM: Euer Album “Disturbia” ist jetzt fünf Wochen auf dem Markt. Wie sind die Reaktionen, und seid ihr zufrieden mit den Verkaufszahlen, oder hättet ihr euch sogar noch mehr erhofft?

AZ: Die Reaktionen sind sehr positiv. Dass wir auf Platz 21 der deutschen Charts gelandet sind, haut uns regelrecht vom Hocker. Damit hatte keiner von uns gerechnet. Vor allem nicht, dass dies mit “Disturbia” gelingt, da es aus unserer Sicht unser bislang unkommerziellstes Album ist.

MUM: Im Opener “Sommer unseres Lebens” feiert ihr, dass wir zusammen das Virus überstanden haben. Das könnte natürlich zu einer amtlichen Hymne der Freude über das Ende der Pandemie oder zumindest mal der meisten Einschränkungen werden … den Song habt ihr allerdings im Juli 2020 aber ja deutlich verfrüht veröffentlicht. Wird der Sommer 2021 denn nun der Sommer unseres Lebens, was meint ihr?

AZ: Ein bisschen mehr Normalität wünschen wir uns, denke ich, alle zurück. Ich glaube, dass der Sommer 2021, gemessen an dem was gerade hinter uns liegt, sehr gut werden kann. DER “Sommer unseres Lebens” wird es jedoch, so denke ich, eher nicht. Auf den hoffe ich im Jahr 2022. Falls die Pandemie bis dahin keine Rolle mehr spielen sollte, wird das definitiv ein Jahr in dem alle durchdrehen und ausleben werden, was 2 Jahre nicht möglich war.

MUM: Früher war eure Musik irgendwo zwischen punkigem Rock und Indie-Pop angesiedelt, auch gerne mal mit Einflüssen aus Folk. Das neue Album kommt brachialer daher, mit verzerrtem Gesang und härteren Riffs. Wie kam es zu diesem Stilwechsel?

AZ: “Disturbia” setzt eine klare Kante zu allem, was wir bisher so gemacht haben. Düsterer Sound, tiefgehende zum Teil politische Texte, weniger Pop. Eine konsequente Weiterentwicklung dessen, was bei “Goldener Schuss” in Ansätzen zu hören war. Einen konkreten Grund für diese Entwicklung kann ich gar nicht nennen. Ich glaube, es ist vielmehr der natürliche Gang der Dinge, dass eine Band sich weiterentwickelt, in gewisser Weise auch “erwachsen” wird.

MUM: Denkt ihr, dass weitere stilistische Wechsel möglich sind, oder fühlt ihr euch in der neuen Härte pudelwohl?

AZ: Ich denke, dass wir mit “Disturbia” grundsätzlich in einem Fahrwasser angekommen sind, in dem wir uns ganz wohl fühlen und auch bleiben werden. Etwas mehr Härte steht uns ganz gut. Ich würde aber niemals sagen, dass das für immer so bleibt und keine Änderungen passieren werden. Im Laufe der Zeit können sich Geschmäcker und die Sicht auf die Dinge ändern. Von daher bleibt es abzuwarten, was uns in ein paar Jahren umtreibt.

MUM: Mit “Irgendwo stirbt grad ein Kind” zweifelt ihr Gott an, kritisiert aber auch unsere Gesellschaft mit falschen Prioritäten. Mit “Standing In Line” positioniert ihr euch gegen die – vor allem katholische – Kirche als Institution mit falschen Werten, Homophobie und Skandalen um verdeckte Kinderschändungen. Das sind starke Nummern mit tiefergehenden Text, Highlights der Scheibe. Welches ist für euch der beste Song, und warum?

AZ: Ich glaube, einen “besten Song” aus Bandwarte gibt es nicht. Das ist sehr individuell und jeder von uns wird dir wahrscheinlich eine andere Antwort geben. Ich kann daher nur für mich sprechen. Der für mich wichtigste Song ist “Wiegenlied”. Das ist jedoch sehr persönlich und liegt daran, dass hinter dem Song ein echtes Schicksal aus unserem nahen Umfeld steht, was mir sehr nahe geht. Ansonsten bin ich großer Freund davon, politische Themen anzusprechen und Menschen zum Nachdenken anzuregen. Daher sind
Songs wie “Standing in Line”, “Irgendwo stirbt grad ein Kind” und “Alles Gute für den Winter” für mich ebenfalls sehr wichtige Songs auf “Disturbia”.

6) Mit “My Only Friend” und “Standing In Line” haben zwei Stücke englische Titel, größtenteils wird aber Deutsch gesungen. Wie seid ihr darauf gekommen, die Refrains mit englischen Zeilen zu versehen?

AZ: Dahinter verbirgt sich keine großartige Geschichte. Das gab es auch schon in der Vergangenheit bei “Find What U Love” auf “Goldener Schuss”. Manchmal passieren Dinge einfach so wie sie passieren, wenn man im kreativen Flow ist – ohne großen Plan oder Kalkül dahinter.

MUM: Für den November habt ihr Livekonzerte geplant, und man darf ja tatsächlich hoffen, dass diese dann auch wieder möglich sein werden. Wie groß wäre eure Freude, endlich mal wieder auf einer Bühne zu stehen?

AZ: Ich denke, ich spreche für alle Bands, wenn ich sage, dass wir es kaum erwarten können, endlich wieder live zu spielen. Das fehlt schon sehr! Momentan sieht es – nach langer Durststrecke – für mich so aus, als ob man verhalten optimistisch sein kann, dass dieses Jahr noch Konzerte stattfinden können.

MUM: Früher seid ihr als Support von Rea Garvey oder The BossHoss unterwegs gewesen, nun eröffnet ihr für Saltatio Mortis – das passt ja auch zur neuen Härte eurer Musik. Wenn ihr euch drei Bands aussuchen könntet, mit denen ihr auf Tour geht, welche wären dies?

AZ: Puh, schwierige Frage. Ich lasse jetzt einfach mal jegliche Logik und Realitätsbezug außer acht: Queen, Nirvana und Linkin Park – einfach nur, weil ich sie alle gerne mal live erlebt und kennengelernt hätte.

MUM: Was sind eure nächsten Pläne in einer Zeit, in der Planen schwierig ist?

AZ: Ein Ziel, welches hoffentlich Realität wird, ist es unsere “Disturbia”-Tour im März und April 2022 spielen zu können. Aber auch in einer Zeit ohne Live-Konzerte ist Stillstand ein Fremdwort für uns. Wir arbeiten ständig an neuen Ideen und neuer Musik. Wir haben uns für dieses und nächstes Jahr ein sehr großes und verrücktes Projekt vorgenommen, von dem ich aber im Moment noch nichts erzählen möchte. Seid
gespannt, wir werden euch bald davon erzählen.

MUM: Welche Frage wolltet ihr schon immer mal gestellt bekommen, und wie wäre die Antwort?

AZ: Diese! (lacht)

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MUM: Mucke und mehr
AZ: André Zweifel

Mehr Informationen zu Antiheld findet man auf www.antiheldmusik.com und facebook.com/antiheldmusik.

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