Home MusikInterviews Chandeen zu ihrem Album “Echoes” (05/03)

Chandeen zu ihrem Album “Echoes” (05/03)

Autor: Tobi

Chandeen

Über die neue CD “Echoes” von Chandeen kann man sich so richtig freuen. Nachdem das letztjährige Werk “Bikes And Pyramids” mit modernen Rhythmen, teilweise unpassenden Gesangseffekten und anderen deplatzierten Spielereien enttäuschte, haben sich Harald Löwy und Antje Schulz, die nun alleine für fast alle Songs zuständig waren, wieder auf ihre Stärken besonnen, sind zurück zu ihren Wurzeln gegangen. Diese Wurzeln wissen dann auch wieder voll zu begeistern, Chandeen zelebrieren wieder wunderschöne, poetische, melancholische Stücke. Einige der Lyrics entspringen Gedichten von Edgar Allen Poe, Oscar Wilde oder William Blake. Antjes Stimme klingt nach wie vor himmlisch und wird auch nicht mehr verunstaltet, dazu gibt es akustische Gitarren, Piano, elektronische Flächen und einige andere, sich in die Stimmung einpassende Klänge. Stimmung ist das Stichwort: Nachdem Chandeen sie mit dem Vorgänger völlig aus den Augen verloren hatten, befördern sie sie jetzt wieder vollstens in Ohren und unter die Haut, diese besondere, kerzenscheinfordernde, in Schönheit zerfließende Stimmung. Einen Song besonders hervor zu heben, wäre falsch – “Echoes” ist mehr als ein Echo früherer Stärke, es ist eine Sammlung ganz toller Stücke, die den Ausrutscher verzeihen machen. Wir führten ein Interview mit Harald und Antje:

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“Letztendlich ist jeder dieser Songs eine Hommage.”

MUM: Auf eurem letzten Album “Bikes And Pyramids” klangt ihr erschreckenderweise so, als würdet ihr plötzlich nach kommerziellem Erfolg streben und dabei die eigenen Stärken aus den Augen verlieren, mit Elementen aus Drum ‘n’ Bass, HipHop, miesem Gesangseffekt a la Cher in “You Love Him” und all so Kram. Seid ihr wirklich überzeugt von der Scheibe gewesen?

H: Ha, die Frage ist wirklich kess. Willst du das wirklich wissen? Hm, na ja, wohl gefühlt habe ich mich eigentlich nie wirklich. Ich dachte schon, dass es gute Songs waren, aber ich hatte immer diese rationale Gedanken im Hinterkopf. Einige Songs auf “Bikes And Pyramids” wirken heute für mich einfach überarbeitet, vielleicht haben sie dadurch an Seele verloren. Sie gleichen mehr einer mathematischen Aufgabe oder einer wissenschaftlichen Arbeit. Nach “Bikes And Pyramids” fühlte ich einfach: Wir müssen da raus. Ich realisierte, dass wir in diesem Stile nicht adäquat und zufriedenstellend weiterarbeiten konnten.

A: Wir sind einfach eine Band, die gerne verschiedene Stile ausprobiert. Wenn wir wirklich ausschließlich kommerziellen Erfolg angestrebt hätten – by the way: Was wäre daran schon verwerflich? – wäre die CD viel konsequenter darauf produziert. Dafür klingt “Bikes And Pyramids” aber doch viel zu experimentell. Natürlich bin ich immer noch überzeugt von der CD. Seinen musikalischen Horizont zu erweitern und vom ursprünglichen Stil von Zeit zu Zeit abzuweichen, kann eine Band wie Chandeen nur weiterbringen. Manche mögen das als Umwege wahrnehmen. Einschränkung in einen Musikstil empfinde ich jedenfalls eher als Stillstand.

MUM: Das neue Album “Echoes” präsentiert euch wieder in alter Form, mit ruhigen, melodischen, tollen Stücken. Wie kam es zu dieser Rückkehr zu den Wurzeln?

H: Nun, wir erweckten unsere Musik wieder zum Leben. Ja, so kann man es nennen. Auf “Echoes” befinden sich Songs, mit denen ich wirklich zufrieden bin, wir waren ehrlich zu uns, ehrlich zu unserer Quelle, die wir nun wiederfanden. Ich denke, das ist wichtig, die emotionale Quelle. Sie gibt deiner Arbeit Tiefe und Bedeutung. Ohne diese Gefühle hat unsere Musik nicht wirklich existiert. Und “Echoes” ist wieder deutlich emotionaler und voll wundersamer Momente, die wir während der Entstehungsphase erlebten. Das Album ist für uns eine mehrmonatige Reise intensiven Songwritings, sehr fokussiert auf das Leben in der Natur, auf das Ursprüngliche, die Liebe zur natürlichen Art der Klänge, wie Vogelgesang, Holz oder Grillen bei Nacht, die Geräusche eines Waldes oder eines Regens.

A: Gerade nach unserer Experimentierphase kam in uns eine Art Begehren auf, etwas zu kreieren, das uns zu unseren Wurzeln führt.

MUM: Was ist aus Stephanie geworden, ihr beide bildet ja nun die alleinige Besetzung?

H: Ja, Stephanie ist auf der neuen Platte nicht mehr dabei. Bereits nach “Spacerider” hat sie sich sehr zurück gezogen und nur noch ein paar Songs geschrieben bzw. gesungen. Sie war im Grunde schon lange nicht mehr dabei, es war ein schleichender Prozess.

A: Wie heißt es immer so schön: Es gab musikalische und persönliche Differenzen, so also auch bei uns. Aber ich bin außerhalb der Band weiterhin sehr gut mit ihr befreundet und kann mir gut vorstellen, dass man von ihr demnächst auch wieder musikalisch hören wird.

MUM: Ihr seid damals auf dem Hyperium Label mit einige Alben recht gut durchgestartet, dann wurde es ruhiger um Chandeen. Warum?

A: Ich denke, das nimmt jeder subjektiv ganz anders wahr. Ich z.B. fand die Zeit nach Hyperium sehr spannend. Wir haben ein Video gedreht, waren im Fernsehen zu sehen, waren auf Tournee mit Gastmusikern, als richtige Band – ich empfand es als nicht so ruhig.

MUM: Einige der Texte auf “Echoes” stammen von Poeten wie Edgar Allen Poe oder Oscar Wilde. Wie seid ihr hierauf gekommen?

H: Letztendlich ist jeder dieser Songs eine Hommage. Oscar Wilde ist ein großer Einfluss für mich. Manchmal ist Wildes Lyrik so zauberhaft und poetisch, dass ich mich dabei erwische wie ich denke: “Wow, das ist die Erkenntnis, die ich habe, die Worte beschreiben exakt mein Gefühl, es sind meine Gedanken – das habe ich selbst geschrieben.” Möglicherweise sind das verdeckte Traumsequenzen?!?

MUM: Von “A Dream Within A Dream” gab es ja mal eine tolle, weitaus kräftigere Vertonung von Propaganda in den 80ern. Hat diese damals schon Lust gemacht, die Worte auch mal zu gebrauchen?

A: Ich liebe die ganze Scheibe “A Secret Wish” von Propaganda, aber ehrlich gesagt hab ich damals überhaupt nicht darüber nachgedacht.

MUM: In wie fern unterscheidet sich “Echoes” von den früheren, auch ruhigen Alben Chandeens?

A: Wir sind nun mal wieder etwas älter geworden, das hört man dem Album auch an, es klingt einfach reifer. Vor zehn Jahren hatten wir zwar den Wunsch nach einem Album wie “Echoes”, aber noch nicht die Erfahrung dazu.

MUM: Werdet ihr auf Tour gehen, und falls ja, wann, wie, wo in welcher Besetzung?

A: Momentan treten wir mit geradezu minimalistischer Besetzung auf, Gesang, Gitarre, Keyboard. Falls es aber eine größere Tour mit “Black Tape For A Blue Girl”geben wird, die geplant ist, dann nur mit zusätzlichen Gastmusikern für Schlagzeug und Cello, damit wir unser ganzes Spektrum auch live überzeugend darbieten können.

MUM: Was macht ihr so, wenn ihr nicht Musik macht?

A: Na einfach leben – das heißt z.B. bei mir: Arbeiten, Reiten, Joggen, Medien nutzen, Musik hören, Ausgehen, Familie und Freunde treffen, Yoga, Nachdenken, Essen, Schlafen, und …

H: Eine Plattenfirma betreiben.

MUM: Wie wird euer nächstes Album klingen?

A: Ich denke und hoffe, das entscheiden wir wieder ganz spontan.

MUM: Danke für das Interview.

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MUM: Mucke und mehr
A: Antje Schulz
H: Harald Löwy

Mehr über Chandeen findest du auf www.chandeen.com.

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