Home MusikInterviews De/Vision zu ihrem Album “Devolution” (12/02)

De/Vision zu ihrem Album “Devolution” (12/02)

Autor: Tobi

De/Vision

Als De/Vision im Juli 1988 von Sänger/Komponist Steffen und den beiden Musikern Thomas und Markus gegründet wurde, da war Synthiepop, zumindest im Indie-Bereich, noch schwer angesagt. Die Erfolge von Depeche Mode, Erasure und einigen anderen ließen neue Bands des Genre wie Pilze aus dem Boden schießen – doch nur wenige waren wirklich gut, und noch weniger davon überlebten bis heute. De/Vision sind eine diese wenigen. 1992 erschien die erste Maxi “Boy On The Street”, ein Jahr später wurde “Try To Forget” ein Renner in den Clubs. De/Vision schafften es wunderbar, saubere Elektrosounds und poppige Strukturen mit hauptsächlich melancholischen Melodien und öfters auch einem Schuss Progressivität zu verbinden. Als Support für Psyche, Die Krupps oder Camouflage sammelten die Jungs Live-Erfahrung, mit Produzenten-Szenegrößen wie Axel Henninger und José Alvarez-Brill Studio-Knowhow. Nach den drei ersten Alben “World Without End” (1994), “Unversed In Love” (1995) und “Fairyland?” (1996) bei Strangeways Records wurden De/Vision vom Major WEA unter Vertrag genommen. Dort erschien 1998 das “Monosex”, aufwändiger produziert und natürlich zu besseren Verkaufszahlen promotet, insgesamt aber doch nicht der erhoffte Durchbruch.

Auf “Void” wurde mehr experimentiert, der Schuss ging aber nach hinten los – und plötzlich wussten weder Fans noch Band oder Label, wie es weiter gehen soll. Markus stieg aus der Band aus, um fortan seine eigenen musikalischen Ambitionen zu verwirklichen, und die WEA entschied sich, fortan nicht mehr mit den Jungs zu arbeiten. De/Vision fanden mit Drakkar ein neues Label, bei dem sie nun wieder unabhängiger, aber durch die Major-Anbindung komfortabel arbeiten konnten. Im Jahr 2001 erschien mit dem “Two” betitelten Album das erste Werk als Duo, welches aber noch nicht wieder an alte Stärke anknüpfen konnte. Man durfte durchaus zweifeln, ob Sänger Steffen und Texter Thomas diese überhaupt wieder finden würden. Anfang Januar 2003 erscheint nun aber mit “Devolution” ein Album, das mal wieder richtig gut gelungen ist. Gute Kompositionen sind zu hören, die nicht mehr nur in Melancholie sterben – durchaus abwechslunsgreich und sehr sauber produziert. Wir führten ein Interview mit Steffen.

 

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“Ich denke, auf 15 Jahre Musikgeschäft kann man auch mal stolz sein.”

MUM: Erstmal Glückwunsch zum Album, “Devolution” ist meiner Ansicht nach das beste De/Vision-Album seit langem. Seht ihr das genauso, oder ist für euch immer das aktuelle Album das beste?

S: Erst einmal Danke für das Lob! Für uns ist es immer schwierig zu sagen, ob es nun das beste Album ist, oder sich in die lange Reihe unserer Veröffentlichungen einreiht. Ich denke um das zu beurteilen, muss man das ganze mit Abstand betrachten, und der stellt sich erst nach einer Weile ein. Wir sind aber sehr zufrieden mit dem Ergebnis, und ist nach “Two” das von uns ersehnte Album.

MUM: Ich finde, ihr klingt erwachsener, habt auch stilistisch eine schöne Ausgewogenheit gefunden zwischen poppigem und progressivem Sound. Wo seht ihr die Unterschiede zu euren letzten Alben?

S: “Two” war für uns ein sehr schwieriges Album gewesen. Wir mussten uns damals erst wiederfinden und eine gewisse Ruhe einkehren lassen. Es gab zu der Zeit zu viele Baustellen, die aus beruflicher wie auch privater Natur bestanden. Der Weggang von Markus und die Trennung von WEA ging natürlich nicht spurlos an uns vorbei, und bei mir lief zu der Zeit auch einiges privat nicht wirklich rund. Wenn wir nun das ganze aus der Ferne betrachten, war es für uns ein Wunder, dass wir es dennoch schafften, ein Album zu schreiben. Ich denke, wir würden ein solches Album nicht noch einmal so komponieren wollen. Mit den Arbeiten zu “Devolution” verhielt es sich ganz anders. Wir kamen von einer sehr erfolgreichen Europatournee zurück und konnten diese Energie voll in das Songwriting einbringen. Wir hatten unseren Platz wiedergefunden, und auch der Wechsel des Produzenten verleihte uns neue Möglichkeiten. Wir arbeiteten sieben Monate an den Songs und konnten unsere kompletten Erfahrungen einbringen. Wir sind auch der Meinung, dass es ein sehr reifes und erwachsenes Album geworden ist, und uns wieder ein Stück voran gebracht hat. “Two” zeigte nur eine Seite von uns, mit “Devolution” sind wir wieder dazu übergegangen, all unser musikalisches Können zu präsentieren.

MUM: Früher waren bei De/Vision immer sehr viel Moll und Melancholie zu hören, heute sind sie zwar noch da, aber nicht mehr so beherrschend. Wie kommt dies? Seid ihr innerlich positivere Menschen geworden?

S: Wir waren eigentlich immer positiv denkende Menschen, auch wenn unsere Musik diese Art von melancholischen Unterton hatte, und auch weiterhin haben wird. Ich denke, es ist gerade der Kontrast, der es so interessant macht. Hey, da sind zwei Jungs, die sind gut drauf und schreiben trotzdem solche Musik. Wir machen uns da nicht so großartige Gedanken, es passiert einfach, ohne es beschreiben zu können.

MUM: Fehlt euch Markus manchmal in De/Vision, als Musiker oder auch als Kumpel? Was macht er so?

S: Ich denke, wer das neue Album hört, wird uns zustimmen, dass Markus nun ein Teil der Geschichte von De/Vision ist und uns nicht mehr fehlt. Der Übergang war zwar nicht einfach, aber es war auch eine Art von Befreiung für mich persönlich. Wir hatten in der Endphase eigentlich kaum noch was miteinander zu tun, haben uns einfach auseinander gelebt. Er arbeitet, und der Rest geht uns nix an.

MUM: Das Album bietet sauber produzierten Elektropop, der etwas klarer ins Ohr geht als zuletzt. Habt ihr an der Produktion oder der Soundwahl bewusst etwas geändert?

S: Bewusst gehen wir da nie dran. Es entwickelt sich im Laufe einer Produktion eine Richtung, und wenn man die gut findet, dann versucht man natürlich, dieses Klangbild auszuarbeiten. Als ich die Songs geschrieben habe, wusste ich noch nicht, wie sie am Ende klingen würden. Deswegen ist es für uns auch enorm wichtig, viel Zeit zu haben, um verschiedene Richtungen auszuprobieren. Klar ist aber auch, dass der Produzent Josef Bach maßgeblich mit zu diesem Klangbild beigetragen hat.

MUM: Habt ihr, nachdem es beim Major WEA ja nicht so lange geklappt hat, eigentlich noch Hoffnungen, irgendwann doch plötzlich mal den großen Durchbruch in den Charts zu schaffen, oder ist es für euch okay, dass ihr in der Indie-Szene gut bekannt seid, aber wohl nie alleine 10.000 Leute in eine Halle bringen werdet?

S: Ich denke, wir sind über die Jahre sehr realistisch geworden, und haben gewisse Ziele oder Träume verworfen. Wir leben nun schon ein paar Jahre ausnahmslos von der Musik und hoffen natürlich, dass wir diese erlangte Freiheit weiterhin genießen können. Es ist uns mittlerweile egal, ob wir mal vor 10.000 Leuten spielen könnten. Für uns ist es viel wichtiger, unsere Musik so machen zu können, wie wir das wollen. Künstlerische Unabhängigkeit ist das Größte, was es gibt, und wenn man dann damit auch noch sein Geld verdient – was will man mehr. Außerdem hat Erfolg nicht immer was mit der Größe eines Labels zu tun. Wir sind sehr zufrieden mit Drakkar, und natürlich würde es uns freuen, wenn wir das in uns geschenkte Vertrauen mit sehr guten Verkaufszahlen honorieren könnten.

MUM: Mit eurem Green Court Projekt seid ihr ja den Schritt Richtung Dance und Charts gegangen – das fand bestimmt nicht jeder Fan gut. Sind da weitere Songs geplant, oder ist das Projekt erstmal beiseite gelegt?

S: Zur Zeit besteht von Seiten Green Courts kein Bedarf. Ich stecke im Moment ja auch zu sehr in De/Vision drin, als dass ich jetzt was realisieren könnte. Unseren Fans hat dieses Projekt eigentlich sehr gut gefallen, und wurde auch maßgeblich von ihnen gekauft. Wir waren selber erstaunt darüber.

MUM: Ihr seid jetzt schon lange in der Musikszene dabei. Welches war der beste Moment in eurer Karriere, welches der mieseste?

S: Wir wollen gar nicht bewerten, was toll und was schlecht war. Es gibt Höhen und Tiefen! Dies zu leugnen, wäre Quatsch. Alles in allem können wir aber sehr zufrieden sein. Es gibt uns fast 15 Jahre, und wer hätte das anfangs von uns gedacht. Es macht immer noch Spaß, und so soll es auch bleiben.

MUM: Was denkt ihr, wenn ihr euch heute eure ersten Veröffentlichungen anhört, mit denen ihr ja sehr erfolgreich gewesen seid in einer Aufbruchszeit des Synthiepop? War es damals einfacher, die Hörer zu begeistern?

S: Es ist ja nicht so, dass wir heute nicht mehr erfolgreich sind. Ich denke die Maßstäbe haben sich verändert. Anfangs war für viele unser Erfolg eine komplette Überraschung, mittlerweile müssen wir für Deutschland in dieser Sparte von Musik mit die Akzente setzen. Wir haben nun mal ein anderes Gewicht bekommen. Man belächelt uns nicht mehr so oft, sondern erwartet von uns etwas Neues. Die Hörgewohnheiten haben sich natürlich im Laufe der Jahr verändert, und ich denke, die Mehrheit unserer Fans ist mit uns gewachsen.

MUM: Ihr habt in den Jahren ja viele Bands kommen und gehen sehen in der Elektroszene. Wer hat sich eurer Meinung nach am besten entwickelt, und wer ist den absolut falschen Weg gegangen?

S: Jeder geht seinen Weg. Es gibt eine Menge Leute, die uns auch auf einem falschen Weg sehen, aber jeder sollte machen, was er am besten kann. Ich denke, auf 15 Jahre Musikgeschäft kann man auch mal stolz sein.

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MUM: Mucke und mehr
S: Steffen von De/Vision

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