1993 suchte Cristina Llanos (Gesang, Gitarre) per Zeitungsannonce Musiker, die ebenfalls auf Combos wie Nirvana, R.E.M., Jesus Lizard, Hüsker Dü oder Social Distortion stehen, für eine eigene Band. Jesus Antunez (Drums) und Alvaro Diez (Bass) meldeten sich, und kurz darauf wurde mit Cristinas Schwester Amparo (Gitarre) die Band, die man Dover (nach einer Frauen-Kleidermarke) nannte, komplettiert. 1995 erschien auf Caroline Records das Debüt “Sister”, der Erfolg blieb allerdings aus, lediglich 800 Käufer nahmen die Scheibe mit in heimische Gefilde. Den Durchbruch erreichten die Spanier dann 1997 mit ihrem Major-Debüt “Devil Came To Me” bei Subterfuge Records. Ein Chorus wurde für eine Fernsehwerbung verwendet, aber auch sonst war man zufrieden, verkaufte dieses Album doch 500.000 Einheiten alleine in Spanien und hielt es sich 70 Wochen in der dortigen AFYVE-Verkaufsliste.
Nun erscheint in Kürze das neue Album “Late At Night”, beim eigenen Label Loli Jackson Records, und die CD ist richtig gut. Mit selbiger erhofft sich die Combo auch hierzulande den Durchbruch mit ihrem schmissigen Rock, gerne auch versetzt mit Punkrock oder Alternative, übrigens mit englischsprachigen Texten gemacht. Ich traf Sängerin und Gitarristin Cristina, die zusammen mit Amparo die Songs und Texte schreibt, in einem Berliner Hotel zum Interview und erlebte sie als eine trotz aller Erfolge zuhause total zurückhaltende, sympathische, natürliche (und niedliche) Frau.
“Wir mögen Heavy-Riffs und so, aber genauso auch Melodien.”
MUM: Du hast damals eine Annonce aufgegeben, um Musiker für deine Band zu finden, Amparo ist aber erst später dazugestoßen. Warum hast du nicht gleich an deine Schwester gedacht?
C: Es ist nicht so, dass ich nicht an sie gedacht habe, sie wollte damals aber nicht spielen. Sie übte dann aber mehr und mehr, und etwa zwei Jahre später kam sie dann zur Band dazu.
MUM: Sie konnte vorher gar nicht Gitarre spielen?
C: Doch, schon, aber nicht viel und gut. Ich denke, sie hatte damals einfach nicht genug zeit, weil sie gearbeitet hat.
MUM: Es könnte also sein, dass sie jetzt gar nicht in der Band wäre, wenn du damals jemand anderes an der Gitarre gefunden hättest.
C: Vielleicht, vielleicht aber auch nicht, ich denke schon, dass sie zu uns stoßen musste.
MUM: Eure erste Scheibe “Sister” war ja dann kein großer Erfolg. Wie habt Ihr Euch danach gefühlt?
C: Natürlich ist es schon etwas enttäuschend und frustrierend, wenn du eine Platte machst und sie sich nicht verkauft, weil du da Zeit reingesteckt hast und auch mit ganzem Herzen bei der Sache warst. Das ist aber okay, wir hatten die Musik gemacht, die wir machen wollten, und wir ließen uns auch nicht davon abbringen, weiter das zu spielen, was wir mögen.
MUM: War die Musik auf “Sister” denn stilistisch genauso wie auf “Devil Came To Me” oder der neuen CD?
C: Sie war schon genauso, etwas härter vielleicht, aber der gleiche Stil.
MUM: Ich denke mal, nach dem Durchbruch wurde der Erstling dann auch re-released, oder?
C: Ja, wurde er, und es wurden sicher auch einige Einheiten mehr verkauft, aber wir reden mit diesem Label nicht mehr und wissen daher gar nicht, wieviele Scheiben abgesetzt wurden.
MUM: Für was für einen Werbespot hat man Eure Musik in Spanien 1997 genommen?
C: Das war ein Spot für einen Softdrink, und man nahm vielleicht fünf Sekunden von “Devil Came To Me”. Der Bandname wurde aber nicht erwähnt oder so, aber ich denke, das hat uns trotzdem ein wenig weiter geholfen.
MUM: Ich habe gelesen, dass Ihr einen Soundtrack gemacht habt.
C: Nein, das stimmt so nicht, man hat nur für einen Soundtrack einen unserer Songs ausgewählt.
MUM: Ach so. Seht Ihr Euch eigentlich als Rockband, oder als Punkrock, oder als was?
C: Rock sicherlich, weil Rock auch alles andere irgendwie definiert, ob nun Punkrock oder Pop. Eine andere Bezeichnung wäre unpassend, also Rock.
MUM: Mögt Ihr denn eigentlich eher die härteren Sachen oder die softeren?
C: Wir mögen das beides, darum versuchen wir auch, das zu kombinieren. Wir mögen Heavy-Riffs und so, aber genauso auch Melodien.
MUM: Hast du Favoriten auf dem neuen Album?
C: Ja, das sind “Cherry Lee” und “The Real Me”.
MUM: Wie sind denn die Reaktionen in Spanien auf die scheibe, dort kam sie ja bereits im Juni heraus?
C: Großartig. Dir Plattenfirma und wir sind alle sehr zufrieden.
MUM: Wie sieht es denn momentan mit der Musikszene in Spanien aus, gibt es da mehr Rocksachen oder doch eher Dance?
C: Es gibt etwas von allem, aber vor unserem Erfolg war es schon schwer für Rockbands, glaube ich, das ist jetzt leichter geworden, die Zeiten haben sich etwas geändert.
MUM: Und Ihr seid richtig erfolgreich in Spanien, ja?
C: Ja, wir können uns nicht beschweren.
MUM: Wieviele Leute kommen so zu Euren Gigs?
C: Das ist unterschiedlich, aber so 2000 bis 5000 sind es schon.
MUM: Woher kommt Ihr eigentlich genau?
C: Aus Madrid.
MUM: Ihr habt die Scheibe in Seattle aufgenommen, warum?
C: Weil unser Produzent Barrett Jones dort arbeiten wollte, er wohnt dort und kennt sich mit den Studios und allem aus. Er wollte in L.A. oder Seattle arbeiten, wir haben uns dann für Seattle entschieden.
MUM: Habt Ihr Barrett als Produzenten ausgewählt, oder war das die Plattenfirma?
C: Nein, das waren wir. Wir hatten seine Sachen gehört und mochten sie sehr, außerdem hat er sich wirklich mit dem Material richtig beschäftigt, und so jemanden wollten wir haben.
MUM: Wart Ihr eigentlich mit der “Devil Came To Me” auf Tour in Deutschland?
C: Oh ja, wir haben diese kleine Tour gemacht, und keiner ist gekommen. Das Album wurde damals aber hier auch mehr veröffentlicht, um die Band erstmals vorzustellen, jetzt geht es mit der neuen Scheibe richtig zur Sache. Damals wollten wir nur mal Hallo sagen.
MUM: Woran könnt Ihr Euch denn noch erinnern in Bezug auf Deutschland?
C: Na es war auch damals wirklich gut hier, und wir können es kaum erwarten, wieder hier zu touren. Das Land ist sehr groß, man kann eine anständige Tour machen, und die Leute, die damals zu uns kamen, waren zwar nicht viele, aber sie waren richtig bei der Sache. Ich glaube, Ihr Deutschen rockt.
MUM: Ist denn eine Tour geplant?
C: Ja, für Januar.
MUM: Alleine oder mit jemandem zusammen?
C: Wir würden gerne jemanden supporten, wenn wir das hinbekommen, weil man sich dann auch vielen Leuten vorstellen kann, die einen noch nicht kennen. Sollte das nicht klappen, dann touren wir aber auch gerne alleine in kleineren Clubs.
MUM: Wenn Ihr Euch die Band, die Ihr supportet, aussuchen könnt, wer wäre das?
C: Vielleicht die Queens Of The Stone Age, oder mit dem Red Hot Chili Peppers.
MUM: Kennt Ihr deutsche Bands?
C: Ja, Rammstein, Guano Apes oder Oomph!, mit denen haben wir vor einigen Tagen erst zusammen gespielt.
MUM: Mögt Ihr denn die Guano Apes? Ich frage das, weil man ja auch hört, Ihr wäret in Spanien in etwa das, was die Guano Apes in Deutschland sind.
C: Ja, wir haben zusammen beim Southside Festival gespielt, und sie waren großartig.
MUM: Wie arbeitest du denn eigentlich mit deiner Schwester zusammen an den Songs?
C: Das ist unterschiedlich. Mal schreibe ich einen Song und zeige ihn ihr dann, mal arbeiten wir auch zusammen an Stücken oder Melodien. Im großen und ganzen ist das 50:50. Wir zeigen die Songs dann dem Rest der Band und arbeiten alle zusammen an den Strukturen.
MUM: Kommen denn mehr Texte von dir oder von Amparo?
C: Das nimmt sich eigentlich nichts. Beim neuen Album habe ich die meisten Texte geschrieben, weil sich meine Schwester mehr auf die Gitarrenarbeit konzentriert hat.
MUM: Und die Jungs sind dann auch immer zufrieden mit dem, was Ihr ihnen vorspielt?
C: Ja, sie finden die Sachen klasse und sind froh, keine Songs schreiben zu müssen, denn das ist manchmal eine echt beschissen harte Arbeit, ich meine, man schreibt schon locker drei Monate an so einem Album.
MUM: Wieviel Einfluss haben die Jungs denn eigentlich auf die Musik?
C: Wir vier mögen alle in etwa die gleichen Bands, wie Soundgarden, Queens Of The Stone Age, Hüsker Dü oder Fu Manchu, daher wollen wir alle auch das gleiche erreichen.
MUM: Hast Du Lieblingsalben aller Zeiten?
C: Nirvanas “Nevermind” ist großartig, Fu Manchus “The Action Is Go”, oder Jesus Lizards “Liar”.
MUM: Welche Scheibe hast du dir denn zuletzt geholt?
C: Rage Against The Machines “The Battle Of Los Angeles”.
MUM: Zu den Texten. Ich finde die Texte auf “Devil Came To Me” viel düsterer als die auf der neuen Scheibe. Siehst du das auch so?
C: Ja, das neue Album dreht sich mehr um weltliche Sachen, normale Dinge, und damals ging es um Engel und solche Sachen. Ja, da hast du schon recht.
MUM: Glaubst du an Gott?
C: (lacht) Manchmal!
MUM: Was macht Ihr Silvester, spielt Ihr irgendwo?
C: Ich weiß gar nicht. Gestern habe ich irgendetwas mitgekriegt, dass die anderen planen, in Madrid mit verschiedenen Bands zu spielen, aber mal sehen.
MUM: Was machst du privat so, wenn du keine Musik machst?
C: Ganz normale Sachen. Ich lese, oder ich treffe Freunde. Tanzen gehe ich nicht, lieber ein Bier trinken oder so.
MUM: Seid Ihr denn so bekannt, dass dann auch Leute kommen und sagen: “Hey, du bist doch von Dover!”?
C: Ja, manchmal schon, aber das ist nett und stört keinesfalls.
MUM: Nochmal zurück zu den Songinhalten. Wollt Ihr mit den Texten eine Message transportieren, oder erzählt Ihr einfach Geschichten?
C: Nein, keine Message. Die Texte sind sehr persönlich. Wir wollen ehrlich sein, und die Hörer können dann selbst interpretieren.
MUM: Aber wenn die Texte auf eigenen Erfahrungen beruhen, dann muss ich fragen, warum sie so düster sind, von Enttäuschungen und Depressionen handeln, von Tod und Trennung, ist das Euer Leben?
C: Nein, aber das ist ein Teil des Lebens. Wir sind sicher auch fröhlich, aber ich lebe jetzt seit 23 Jahren, und das war nicht immer nur lustig.
MUM: Wie alt sind die anderen Bandmitglieder?
C: Meine Schwester ist 33, der Drummer 25 – glaube ich, und der Drummer 26.
MUM: Und die Jungs kanntest du vor deiner Annonce damals gar nicht?
C: Nein, überhaupt nicht.
MUM: Haben sich denn damals viele Leute beworben?
C: Nein, ich glaube sogar, das waren die einzigen beiden.
MUM: Aber es scheint ja funktioniert zu haben mit Euch.
C: Ja, es funktioniert gut!
MUM: Danke für das Interview.
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MUM: Mucke und mehr
C: Cristina von Dover