Gunnar, Busch’n und Krel sind nicht nur drei schniedelbehangene Lebewesen, sondern auch Dritte Wahl, eine Deutschpunkband aus dem Fischerdörfchen Rostock. Sie haben ein neues Album, ihr viertes, “Strahlen”, gerüchteweise in Tschernobyl aufgenommen. Außerdem sind sie nicht mehr beim Amöbenklang-Label, bestimmt weil sie den Namen doof fanden, also dröhnten sie sich mal kräftig die Birne zu und gründeten in tagelangen Strickarbeit das Dröönland-Label. Alles weitere Wissenswerte ergibt sich aus folgendem Interview mit Gunnar.
“Das mieseste Erlebnis in unser Bandgeschichte war wohl ein Konzert in Greifswald 1990. Es kam nur ein einziger Gast, und der wollte eigentlich nur Billard spielen.”
MUM: Glückwunsch zum neuen Album, das ich richtig gut finde. Seid Ihr auch total zufrieden, glücklich bis dorthinaus, springt jeden Abend an die Decke und so?
D: Vielen Dank. Wir sind selbst sehr zufrieden mit der neuen Scheibe. Durch das viele Freudengehüpfe fällt es mir sogar etwas schwer, die richtigen Tasten zu treffen. Also, bei auftretenden rechtschreibfehlern, habe bitte Nachsicht!!!
MUM: Habt Ihr auf dem neuen Album einen Lieblingstrack?
D: So richtig nicht, es ist noch zu neu und zu frisch. Erfahrungsgemäß kristallisieren sich nach etwa einem halben Jahr und zahlreichem Hören dann die Favoriten heraus. Am besten gefallen mir im Moment “Störung” und “Irgendwann”.
MUM: Was wollt Ihr mit Euren Texten ausdrücken?
D: Nun, es sind ja ganz verschiedene kleine Geschichten, die wir hier erzählen. Demnach sind es auch unterschiedliche Themen, die von uns angesprochen werden. Nach wie vor sind da politische Songs wie z.B. “Störung”, wo es um den Lauschangriff – egal ob groß oder klein – geht, “Automatenwelt”, “Wut” und “Sklave”. Wir befassen uns aber auch mit zwischenmenschlichen und persönlichen Themen, beispielsweise in “Irgendwann”, “Herbst”, “Radio” oder “Nossi”.
MUM: Ihr kommt aus Rostock. Geht Ihr auch immer brav zu Hansa, und wer ist Euer Lieblingsspieler?
D: So richtig große Fußballfans sind wir nicht, aber wir freuen uns über jedes Tor, das von den Hansa-Kickern geschossen wird. Lieblingsspieler haben wir nicht, die Jungs sind ja alle gut!
MUM: Ihr macht ja nun weiterhin knalligen Deutschpunk, mit Einschlägen aus Ska und Metal. Wo seht Ihr die Weiterentwicklung im Vergleich zum Vorgängeralbum?
D: Wir haben uns noch mehr Zeit für den Sound gelassen und hier und da versucht, mehrstimmige Gesänge einzubauen. Ansonsten blieb alles wie gehabt.
MUM: Was ist Euch wichtiger, die Konzertgänger beim Pogo zu sehen oder jemanden dazu zu bekommen, sich mit Euren Texten so richtig auseinanderzusetzen?
D: Konzerte sind dafür da, daß sich die Leute und wir amüsieren und gemeinsam Spaß haben. Niemand soll nach einem Auftritt von uns nach Hause gehen mit dem Gefühl, daß die Welt schlecht und verkommen ist. Natürlich legen wir Wert auf unsere Texte und deren Aussagen, doch live ist das eher zweitrangig. Wir wollen keine Band sein, zu der man hingeht, um deprimiert wieder heimwärts zu schleichen. Wie aber nun jeder seinen Spaß hat, das ist seine sache. Ob jetzt der Eine tanzt, pogt oder mit dem Kopf schüttelt, oder der Andere auf die Texte achtet, ist jedem sein’s. Es ist uns beides lieb und wichtig.
MUM: Eure Texte sind teilweise melancholisch, warum nicht auch mal eine schmusige Ballade, noch ruhiger als “Herbst”?
D: Noch ruhiger??? Na mal sehen! Wir sind ja für alles offen. Wenn uns mal ‘ne Idee zu so ‘nem richtigen Schmachtfetzen kommt, dann machen wir das. Planen können wir sowas aber nicht. Wir spielen immer das, was uns gerade einfällt und gefällt.
MUM: Rein labeltechnisch habt Ihr Euch mit Dröönland nun selbst in der Hand, was hat sich an Eurer Arbeitsweise geändert?
D: Wir machen jetzt alles allein und können somit jede Kleinigkeit selbst bestimmen. Das bedeutet für uns natürlich viel mehr Arbeit, aber es ist interessant und macht Spaß, so eine Sache völlig selbstständig aufzuziehen. Bei der Arbeit an der Platte hat sich aber nichts geändert.
MUM: Benutz Ihr die Viagra-Pillen und wenn ja, wie ist es?
D: Bis jetzt ging es so. Frag uns nach unserer zehnten Scheibe nochmal, dann wissen wir da vielleicht Bescheid. Kleiner Tip: ich habe gehört, das Zeug ist auch so richtig was für’s Herz!!!
MUM: Im Wahljahr Euer neues Album. Wen wählt Ihr, CDU oder APPD?
D: Keinen von beiden. Ich kann zwar über den einen oder anderen Spruch aus dem APPD-Umfeld lachen (was man über die Sprüche aus dem CDU-nahen Bereich nicht sagen kann), doch für eine entscheidende politische Kraft halte ich sie nicht. Vielleicht gibt es diese auch garnicht? Na, es ist ja noch ein wenig Zeit.
MUM: In Rostock sollen ja ne Menge Faschos rumrennen, kriegt man da als Punk nicht mal was auf die Eier, oder wie wehrt Ihr Euch?
D: In Rostock ist es ruhig geworden. Von so richtigen Faschos ist nicht viel zu sehen. Es gibt aber, wie in jeder Stadt, diese dummen, hirnlosen Prügelkids, die völlig unmotiviert in die Landschaft schlagen. Deren Anzahl steigt leider auf wundersame Weise, wenn Hansa zuhause spielt.
MUM: Ach ja, Musik! Wie seht Ihr die Entwicklung im Deutschpunk? Und wohin geht der Trend? Ska wird mit eingebaut, die Produktionen werden hochwertiger, die Aussagen werden teilweise unpolitischer, oder ist das falsch?
D: Ich glaube, es gibt da keinen richtigen Trend. Nach wie vor kannst Du eine Menge Bands finden, die dem guten alten Deutschpunk die Treue halten, und was die Produktionen angeht reicht die Palette auch immer noch von “geht gar nicht” bis “super toll”. Es ist gut, daß einige Bands eigene Wege gehen und sich dabei auch nicht scheuen, andere Elemente mit in ihre Musik einfließen zu lassen. Das ist interessant und lebt. Ich bin mal gespannt, wann es die erste Scheibe gibt, auf der eine Deutschpunk-Band mit ‘nem Sinfonieorchester spielt.
MUM: Vorne Hosen und Ärzte, dahinter Terrorgruppe, vielleicht HDK, WIZO, natürlich auch Ihr, aber mit kleinem Label. Wo ordnet Ihr Euch ein?
D: Wer ist HDK? Wir sind, glaube ich, lange nicht so medientauglich wie WIZO oder die Terrorgruppe, deshalb wird es auch nie soviel Rummel um uns geben. Die Hosen und die Ärzte spielen ja sowieso in einer ganz ganz anderen Liga. Meiner Meinung nach stehen wir so’n bißchen am Rande daneben und hier fühlen wir uns auch wohl.
MUM: Eure Texte sollen laut CD-Info intelligent sein. Seid Ihr das etwa auch?
D: Na, wer will das schon von sich behaupten? Dolle integent sinma nich, aba nett!!!
MUM: Was habt Ihr für komische Namen? Krel und Busch’n sind ja normal, aber Gunnar ist doch sicher ein Künstlernname, was?
D: Ich wollte mich damit etwas vom Otto-Normal-Gunnar abheben. Außerdem hat meine Imageberaterin gemeint, daß das alle bekannten Persönlichkeiten so machen. Bei dieser weltverändernden Umgestaltung des herkömmlichen Namenssystems wollte ich nicht länger unbeteiligter Zuschauer sein. Ich wollte aktiv mitmachen, mich eingeben und den Prozeß voranbringen.
MUM: Ihr veröffentlicht “Strahlen” auch als Vinyl, liegt Euch da viel dran, oder bezahlt das Sozialamt immer noch keine CD-Player?
D: Wir selbst sind Vinyl-Liebhaber, und so verwundert es nicht sehr, daß wir “Strahlen” auch als LP herausbringen werden.
MUM: Welche Bands würdet Ihr als befreundete Jungs bezeichnen?
D: Oh, das sind viele. Wir verstehen uns z.B. sehr gut mit Toxoplasma, Hass, Emils, den Skeptikern, Daily Terror, Fuck’n Faces, den Kolportoeren u.v.a..
MUM: Was ist das denn eigentlich für ein Kothäufchen, das der geröntgte Körper auf dem Cover da in der Brust hat?
D: Vielen Dank, daß Du uns auch diesen Ball zugespielt hast. Wir sind ja seit Jahren in einem Verein, der sich mit dem Zusammenspiel von Schuh und Kot beschäftigt, und wir wollten auf diesem Weg neue Mitglieder werben, die sich ebenfalls für die Thematik interessieren.
MUM: Welche Frau von den folgenden findet Ihr am erotischsten: Verona Feldbusch, Rita Süßmuth, Anna Kournikova, Lilo Wanders oder George Michael?
D: George Michael natürlich! Er hat sooo einen Sinn für romantische Örtchen!!!
MUM: Was macht Ihr sonst so, wenn Ihr mal nicht musiziert? Welche TV-Serien sind Pflicht, welche Talkshows könnt Ihr nicht ab, welche Traumfrauen treiben Euch Sabber vor den Mund, wen würdet Ihr gerne mal verprügeln (außer mich für diese Fragen!), wen gerne mal kennenlernen?
D: Wenn wir nicht musizieren gehen wir Arbeiten, Studieren oder zum Arbeitsamt. TV-Serie: A-Team. Talkshows: sind alle scheiße, die vor 22 Uhr laufen. Traumfrauen: würden den Rahmen hier sprengen. Auf’s Maul: siehe Traumfrauen. Kennenlernen: siehe Auf’s Maul.
MUM: Mit welchen Bands wollt Ihr unbedingt in Eurem Musikerleben noch einmal zusammen auftreten?
D: Es gibt da keine spezielle Band, mit der wir unbedingt mal spielen wollen. Es ist alles irgendwie interessant. Aber doch!!! AC/DC wären nicht schlecht! Das ist ein Kindheitstrauma von mir, aber ich arbeite daran.
MUM: Was kommt in naher Zukunft? Tour, Auskopplungen, Videoclips, neue Tracks, an denen Ihr schon arbeitet???
D: Richtig Touren werden wir erst Weihnachten wieder. Bis dahin spielen wir ein paar Wochenendkonzerte und ein paar Open Airs. Wir sind keine Single-Band, drehen aber im Sommer vielleicht mal einen Clip – ist aber noch nicht raus. Es lohnt sich für uns nicht, viel Geld dafür auszugeben, denn die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Clip irgendwo gesendet wird, ist ziemlich gering. Also machen wir das nur so zum Spaß, wenn überhaupt. Da gehen wir dann lieber in unseren Proberaum und arbeiten an Songs für unseren fünften Streich.
MUM: Nennt bitte Eure drei Lieblingsplatten aller Zeiten.
D: “Unter falscher Flagge” von den Toten Hosen, “The Power Of Lard” von Lard und alles von Motörhead.
MUM: Erzählt mal Euer miesestes Erlebnis als Musiker und Euer bestes.
D: Das mieseste Erlebnis in unser Bandgeschichte war wohl ein Konzert in Greifswald 1990. Es kam nur ein einziger Gast, und der wollte eigentlich nur Billard spielen. Wir haben damals natürlich trotzdem wacker in die Saiten und auf die Felle gekloppt, doch so richtig Kraft gegeben hat uns dieser Auftritt nicht. Beim besten Erlebnis wird die Auswahl sehr schwierig. Uns sind schon so viele schöne Dinge passiert, daß mir die Entscheidung immer schwer fällt. Vielleicht das Konzert in Budapest letztes Jahr. Da kamen spontan ein paar Leute aus Jugoslawien an die Bühne, die uns kannten und unsere Songs mitsangen. Das ist doch wirklich eine unglaubliche Geschichte!!!
MUM: So, das war’s soweit. Welche Frage würdet Ihr gerne mal gestellt kriegen und wie würdet Ihr sie beantworten?
D: Wir warten schon seit Jahren darauf, daß uns jemand fragt, wann die Schlacht im Teutoburger Wald stattfand. Das war nämlich im Jahre neun, aber das schein heute wohl keinen mehr zu interessieren.
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MUM: Mucke und mehr
D: Gunnar von Dritte Wahl