Home MusikInterviews Element Of Crime zu ihrem Album “Psycho” (05/99)

Element Of Crime zu ihrem Album “Psycho” (05/99)

Autor: Tobi

Element Of Crime veröffentlichten kürzlich mit “Psycho” ihr neuntes Album und den langerwarteten Nachfolger zu “Die schönen Rosen” aus dem Jahre 1996. Seit 1986 kann man die Jungs aus Berlin auf Tonträgern bewundern, und schon lange schnalzen nicht nur Fans – die ja sowieso -, sondern vor allem Kritiker beim Namen der Band mit der Zunge, gibt es doch kaum eine deutsche (und ab dem fünften Album auch komplett deutschsprachige) Formation aus dem Pop- oder Rockbereich, die musikalisch und textlich so zu überzeugen weiß.

Sven Regener (Gesang, Gitarre, Trompete), Jakob Friedrichs (Gitarre), Christian Hartje (Bass) und Richard Pappik (Schlagzeug, Percussion) gehen mit “Psycho”, diesmal außerhalb Berlins im Can Studio in Weilerswist, aber natürlich wieder von David Young produziert, den auf dem Vorgänger eingeschlagenen Weg weiter. Melancholie ist zwar immer noch das tragende Element der Musik, doch scheint sie stellenweise auch mal fröhlich, und insgesamt ist die Scheibe rauher, rockiger als früher, wo man auf Alben wie dem genialen “Weißes Papier” vor allem chansonette Musik bewundern konnte. Anläßlich der neuen CD führte ich ein Interview mit Christian Hartje.

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“Zuerst ist die Musik da, dann geht Sven damit nach Hause und kommt später irgendwann mit einem Text zurück.”

MUM: Warum heißt das neue Album “Psycho”?

CH: Sven hatte die Idee zu dem Titel. Wir waren auf Anhieb begeistert, dann kamen jedoch erste Zweifel auf die Fans könnten den Titel missverstehen. Schließlich ist es Richard zu verdanken, denn er hat Psycho immer wieder ins Rennen geschickt und es gab einfach auch keinen besseren Titel. Als schließlich der Grafiker mit der Idee zum CD-Cover ankam war die Sache klar. Hinterher stellten sich dann, wie immer bei einer Band die es schon solange gibt, Rückbezüge zu alten Platten wie z.B. “Try to Mensch” her. Damals wie heute geht es um die alten Elements-Tugenden, heute vielleicht mit einem kleinen Augenzwinkern.

MUM: Wo siehst Du die Unterschiede zu Vorgängeralben?

CH: Für mich ist es nach den schönen Rosen das zweite Album mit der Band. Es ist im Vergleich zu den schönen Rosen eine ausgeschmücktere, dekoriertere Platte. Nicht nur das hier und da mit Computern gearbeitet wurde, auch die Gitarrensounds sind vielfältiger. Bei den schönen Rosen wollten wir mehr den reinen Song.

MUM: Euer Klang ist rauher und bodenständiger geworden. Ist das bewußt geschehen oder hat sich das so ergeben?

CH: Das hat sich wohl nach der Trennung von Paul Lukas so ergeben, wie ich finde ist das aber auch schon auf den “schönen Rosen” zu hören.

MUM: Für mich ist die “Weißes Papier” mit ihren Anleihen in Chanson oder Zirkusmusik immernoch eine der besten Scheiben, die ich je gehört habe, bei ihr kann ich mich auch voll in die wunderschöne Melancholie fallen lassen. In das neue Album muß man sich erst etwas hineinhören, bevor man es zu lieben beginnt. Siehst Du das ähnlich, und wie gefiel Dir selbst die “Weißes Papier” damals?

CH: Das ist wohl bei allen Elements Platten so. Es ist keine Musik, die mit Schlüsselreizen um sich wirft. Die Lieder erschließen sich einem erst mit mehrmaligen Hören und fangen dann an zu wachsen – unsere Musik will Deine ganze Aufmerksamkeit. Weißes Papier hat mich damals stark beeindruckt, besonders “Sperr mich ein” für mich heute noch eines meiner Lieblingsstücke.

MUM: Welcher Song auf der neuen CD ist Dein Favorit? Meine sind “Alles was blieb” und “Nicht dein Tag” (vielleicht auch, weil sie noch am nächsten am Stil von Weißes Papier liegen, mag sein).

CH: Das sind natürlich echte Elements-Klassiker. Live dürften “Ferien von Dir” oder auch “jung und schön” spannend werden. Ich glaube mir gefällt “Jetzt musst Du springen” am besten hier wechselt sich ein 5/4 Takt mit einem 6/8 ab, ohne daß es weiter auffällt..

MUM: Wie kamt Ihr dazu, von David Sanborn und Le Soldat Inconnu Songs zu covern?

CH: Falls Du “Spooky” meinst, so glaube ich ist es nicht von David Sanborn. Meines Wissens nach ist es ein alter Motown-Klassiker. Ich habe Spooky durch die Sven in einer Version von Lydia Lunch kennengelernt. Wir haben ihn in meiner Anfangsphase dann auch meherere Male live gespielt. Da kam bei uns und dem Publikum immer viel Freude auf, darum haben wir Spooky dann einfach gleich mit aufgenommen. Mit “Si prêt pourtant” verhält es sich anders. Sven wurde von “Le Soldat Inconnu” darum gebeten für sie einen Song zu schreiben, zu dem Monique dann den Text schrieb. Da wir gut in der Aufnahmezeit lagen, nahmen wir diesen Titel dann auch gleich mit auf.

MUM: Wie würdest Du eigentlich Eure Musik umschreiben?

CH: Es ist immer von Chanson oder Liedermacher die Rede wenn es um Element of Crime geht. Das ist wahrscheinlich für den hiesigen Gebrauch auch treffend. In USA oder England würde man es wahrscheinlich Rock ‘n Roll nennen ob das die Sache trifft weiss ich jedoch auch nicht….

MUM: Eure Musik lebt immer noch von Schwere und Melancholie, ist aber vielleicht etwas fröhlicher geworden, oder?

CH: Ich finde die Musik auf “Psycho” sehr abwechslungsreich dadurch bleibt man nicht allzulange in nur einer Stimmung. Auf mich wirkt die Platte wie eine Mix-Kassette von einem guten Freund. Eine sehr persönliche Musikauswahl, so kann der Album-Titel auch interpretiert werden..

MUM: Ärgert es Dich, daß Element Of Crime oft auf Sven reduziert werden im Blickfeld der Öffentlichkeit?

CH: Nein, ich bin ganz froh daß er den Kopf hinhält.

MUM: Habt Ihr eigentlich Einfluß auf Svens Texte, oder seid Ihr stets genauso begeistert wie Kritiker und Fans, laßt ihm daher volle Freiheit?

CH: Er ist der Sänger, er muss die Lieder singen und kann nur so überzeugen.

MUM: Was ist bei Euch eigentlich zuerst da, Musik oder Text?

CH: Zuerst ist die Musik da, dann geht Sven damit nach Hause und kommt später irgendwann mit einem Text zurück. Dann ist das Lied eigentlich fertig, der Text strukturiert die Musik.

MUM: Ihr habt das neue Album nicht in Berlin aufgenommen, sondern im Can Studio in Weilerwist. Warum habt Ihr das getan, und wie hat sich der Ortswechsel ausgewirkt?

CH: Sven war als Gastmusiker bei “Whirlpool-Productions” dabei. Die haben im CAN-Studio aufgenommen. Mit der Zeit hat man ja schon so einige Studios gesehen, und eigentlich gleichen sie sich irgendwo alle. Das CAN-Studio hingegen macht da eine große Ausnahme, denn Regie- und Aufnahmeraum sind voneinander räumlich nicht getrennt. Das Studio ist ein ehemaliger Kinosaal an dessen Rückwand das Mischpult steht. Vor der Leinwand stehen Schlagzeug und Instrumenten-Verstärker. Musiker und alle anderen halten sich irgendwo dazwischen auf, denn der Raum ist voller Instrumente. Man befindet sich immer in der Musik und kann immer Sachen ausprobieren. Nur wenn Gesang aufgenommen wird sollte man etwas ruhiger sein. So ist das Arrangement der Lieder eigentlich erst im Studio entstanden.

MUM: Wen wollt Ihr mit Eurer Musik eigentlich erreichen?

CH: Alle die sie gerne hören und mögen.

MUM: Trotz bester Kritikerstimmen ist Euch ein richtiger Hit eigentlich nie gelungen, seid Ihr dem Szenetip-Image nicht entwachsen … ich denke, das ist gut so und kann mit solch einer tiefgründigen und schweren Musik auch nicht anders sein. Wie siehst Du das?

CH: Wahrscheinlich ist das der Grund warum es die Band schon solange gibt. Selbst in den 4 Jahren die ich jetzt “erst” dabei bin, habe ich schon so einige kommen und gehen sehen.

MUM: David Young wird oft als fünftes Bandmitglied bezeichnet, als Produzent ist dies eher selten. Nun spielt er ja auch häufig Gitarre auf den neuen Stücken. Ist David das fünfte Element, oder ist er doch eher der Produzent? Geht er mit Euch auf die Bühne an der Gitarre?

CH: Dave ist in erster Linie ein guter Freund, insofern ist er wahrscheinlich das fünfte Element. Er ist live immer mit dabei.

MUM: Eure Songs drehen sich um Liebe und Leben. Könntet Ihr Euch auch mal ein politisches Statement in einem Lied vorstellen, oder paßt so etwas einfach nicht in das Konzept der Band?

CH: Ich las gerade eine Kritik von Psycho in einer Berliner Stadtteilzeitung. Darin wurden natürlich Blumfeld in einem Atemzug mit uns genannt. Bei dem Kritiker kam – bei so viel eigener und fremder Befindlichkeit – der Wunsch nach einem Song über so handfeste Dinge wie Neoliberalismus, Atomausstieg oder den Ost-Timor-Konflikt auf. Vielleicht schreibt Jochen Distelmeyer ja ´mal ´was darüber.

MUM: Was macht man als Bassist von Element Of Crime so, wenn man nicht Musik macht?

CH: Ich betreibe ein Tonstudio.

MUM: Nenne bitte Deine drei Lieblingsalben aller Zeiten.

CH: “Help!” von den Beatles, “Pet Sounds” von den Beach Boys und “Can´t buy a thrill” von Steely Dan.

MUM: Ich habe Euch leider noch nie live gesehen. Was erwartet den Zuschauer in Euren Konzerten?

CH: Ein schöner Abend..

MUM: Meine typische letzte Frage. Welche Frage wolltest Du schon immer mal gestellt bekommen, und wie würde die Antwort lauten?

CH: Frage: “Was fehlt noch im Haushalt?”. Antwort: “Eine Zahnbürste mit den Initialen von Dagmar Berghoff.”

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MUM: Mucke und mehr
CH: Christian Hartje

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