Home MusikInterviews The Presidents Of The USA zu ihrem Album “Freaked Out And Small” (02/00)

The Presidents Of The USA zu ihrem Album “Freaked Out And Small” (02/00)

Autor: Tobi

Wer erinnert sich noch an Hits wie “Lump”, “Peaches” oder “Mach 5”, Mitte der 90er-Jahre? Richtig, das waren Hits eines Trios namens THE PRESIDENTS OF THE UNITED STATES OF AMERICA, und die meisten würden wohl hinzufügen: “…aber die gibt es ja nicht mehr”. Möööp, falsch!!! Wir schreiben das Jahr 2001 – Chris Ballew (Gitarre, Bass, Keyboard und Gesang), Dave Dederer (Gitarre, Bass, Gesang) und Jason Finn (Drums, Gesang) sind zurück. “Freaked Out And Small” heißt ihr am 26. Februar erscheinendes, neues Album, und dieses hat es in sich, rockt ohne Ende und macht viel gute Laune.

Ende 1993 war es, als Chris, Dave und Jason ihren Dienst an den Instrumenten antraten, und es sollte nicht lange dauern, bis sie über die Grenzen ihrer Heimatstadt Seattle hinaus bekannt waren, folgerichtig dann auch ein Album herausbrachten, schlicht “The Presidents Of The United States Of America” betitelt. Die beim Indielabel PopLlama erschienene Scheibe gefiel dem Major Columbia so gut, dass man die Presidents dort unter Vertrag nahm und das debüt wiederveröffentlichte, woraufhin “Lump”, “Peaches” und “Kitty” rund um den Erdball aus den Boxen dröhnten. Ein Jahr später folgte das zweite Album, und wieder schlossen sich die Jungs bestimmt wochenlang ein, um sich einen pfiffigen Albumtitel auszudenken – “II” hieß die Scheibe, “Mach 5” und “Volcano” hießen die Auskopplungen. 1997 warf man dann mit “Pure Frosting”, einer Ansammlung von B-Seiten und bisher unveröffentlichten Songs, das für laaange Zeit letzte Lebenszeichen auf den Markt.

Was machen Präsidenten in drei Jahren Pause? Wahlkarten per Hand nachzählen? Unwahrscheinlich, damals ja auch wenig nötig. Außerdem haben erfolgreiche Musik-Oberhäupter so etwas nicht nötig, man widmete sich also anderen Aktivitäten. Chris spielte bei einigen Projekten wie “The Giraffes” oder zusammen mit Tad Hutchison (Yound Fresh Fellows Fame) als “Chris And Tad Show”, Jason musizierte bei “The Nevada Bachelors”, “The Pin Ups” oder “The Congratulators” weiter, wurde außerdem zum Mitinhaber des “Asteroid Cafe” in Seattle. Etwas aus der Reihe fiel Dave, der sich auf Produzenten-Jobs konzentrierte und einige Solo-Stücke einspielte, sich aber vor allem dem Radsport widmete, wo er sich einem Team anschloss, für das er seither täglich trainiert. Anfang 1999 kamen alle drei wieder einmal zusammen, um mit dem Rapper Sir Mix-A-Lot unter dem Namen “Subset” bei Musicblitz Records einen Song zu veröffentlichen, Anfang 2000 folgte sogar eine zwölf Dates umfassende Westküstentour.

Als man aus Spaß bei den Arbeiten für Subset einen von Chris neuen Songs als Presidents aufnahm, da waren die Verantwortlichen von Musicblitz so begeistert, dass man die in Vergessenheit geratene Band unter Vetrag nahm – voila, hier ist das neue Album. “Freaked Out And Small” besticht mit melodischen Funtracks, die ins Ohr gehen und wohl selbst Frank Pagelsdorf ein Lächeln abringen würden. Neben einigen Midtempo-Stücken (“Superstar”, “Blank Baby”) und Balladen (“Death Star”, “Tiger Bomb”) findet man vor allem knackige Tracks, aber unterschiedlichster Prägung, zwischen Alternative Pop und Punkrock angesiedelt, mal von fett bratzendem Bass dominiert (“Jazz Guy”), mal jazzig angehaucht (“Meanwhile Back In The City”), mal straight und ohrwurmig (“Last Girl On Earth”), mal gut abrockend (“Tiny Explosions”). Für “I’m Mad” holten sich die Jungs übrigens mal rasch Duff McKagan (Ex-Guns ‘N’ Roses) ins Studio.

Nun aber zum Interview, das wir mit Dave führten:

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“Ich hätte nie gedacht, dass wir überhaupt nochmal eine Presidents-Scheibe aufnehmen, also habe ich gelernt, dass man nie weiß, was das verrückte Rock ‘n’ Roll-Geschäft als nächstes für einen bereit hält.”

MUM: Glückwunsch zu einem gelungenen, neuen Album, es gefällt mir sehr gut. Warum hat das so lange gedauert, ehe ihr neues Material fertig hattet?

DD: Das hat so lange gedauert, weil wir uns 1998 eigentlich aufgelöst hatten. Chris ist ausgestiegen und wir gingen getrennte Wege. Dann haben wir drei aber wieder bei Subset zusammen gearbeitet, der Kollaboration mit Sir Mix-A-Lot, und ehe wir uns versahen, waren wir wieder im Studio und nahmen ein neues Presidents-Album auf. Die Stücke auf der Scheibe sind von brandneu bis zu 15 Jahre alt. “I’m Mad” haben wir erst im Studio fertig geschrieben, “Last Girl On Earth” hat Chris vor über zehn Jahren geschrieben.

MUM: Siehst du eine stilistische Veränderung zu vorigen Alben?

DD: Ich denke schon, dass dies unsere beste Platte bisher ist. Wir haben das alles in zehn Tagen einstudiert, aufgenommen und gemischt, wobei wir nicht mal einen Tag länger gearbeitet haben als bis 16 Uhr oder 17 Uhr. Wir haben vielleicht 30 bis 40 Stunden an dem Album gearbeitet, was verdammt wenig ist, gemessen an dem, was andere Bands so an Zeit benötigen. Wir haben nicht mit ProTools gearbeitet, keine Plug Ins benutzt, keine andere Scheiße – wir sind einfach hin gegangen und haben unsere Songs gespielt.

MUM: Eure Platte beweist das Gegenteil, aber normalerweise sind zehn Tage doch verdammt kurz, da muss man doch hetzen, oder ward ihr doch so gut eingespielt?

DD: Ich denke, dass die Platte oft besser wird, je weniger Zeit man hat. Mir wird langweilig, wenn ich zu lange im Studio bin, und ich interessiere mich nicht für Platten, die am Computer Stück für Stück zusammen gesetzt werden. Fast bei jeder Platte heute in Pop, Rock, Rap und R&B benutzt man ProTools, ich finde das schade. Diese Aufnahmen neigen dazu, langweilig zu sein, weil sie die Spannung vermissen lassen, die entsteht, wenn man live in einem Raum zusammen spielt. Außerdem kotzen mich quantisierte Aufnahmen extrem an, wo das Tempo nicht mal etwas langsamer wird oder anzieht und der ganze Gesang zurechtgepitcht wird – wenn alles so perfekt hingerückt wird, dann ist das keine Musik mehr, das ist Mathematik.

MUM: Ihr habt “I’m Mad” mit Duff McKagan aufgenommen, kennt ihr ihn schon länger?

DD: Duff und ich sind in der gleichen Gegend von Seattle aufgewachsen, und so hatten wir als Teenager gemeinsame Freunde. Wir selbst waren damals keine Kumpels, haben aber mit etwa den gleichen Leuten rumgehangen. Er hat sich dann mal ein Presidents-Konzert in Los Angeles angeschaut, das allererste damals, und seitdem sind wir dicke Freunde. Wir haben etwa das ganze letzte Jahr lang zusammen musiziert und ich habe ihm damals auch bei einigen Demos für ein nie veröffentlichtes Album geholfen, das er vor ein paar Jahren für Geffen Records aufgenommen hatte. Er ist der perfekte Bassist für den Song, “I’m Mad” ist nämlich totale Iggy Pop-Verarsche, und Duff hat schonmal auf einer von Iggys Platten Bass gespielt – die richtige Kombination also. Duff und ich haben eine neue Band, The Gentlemen, und wir spielen bald auf dem SXSW-Festival in Austin, Texas. Jason von den Presidents spielt übrigens bei uns auch die Drums. Es ist aber nicht, was du erwarten würdest, nein, wir spielen im Sitzen und die Stücke sind sehr ruhig und introvertiert.

MUM: Warum habt ihr diesen Pudel auf dem Cover der neuen CD, gehört der einem von euch?

DD: Der Hund heißt Stanley, ist ein Standard-Pudel und gehört meiner Frau und mir. Er ist wirklich groß, etwa 75 cm lang, und er wiegt 25 kg oder so. Wie du vielleicht weißt, wurde die Rasse in Deutschland zur Jagd auf Vögel gezüchtet – “Pudel” heißt übersetzt glaube ich auch Wasserhund oder so. Wir wollten eigentlich Bilder von ihm nur direkt auf die CD pressen lassen, mochten die Fotos dann aber so sehr, dass wir uns entschieden, ihn auf das Cover zu packen. Er ist netter als jedes unserer Bandmitglieder.

MUM: Meine Lieblingssongs auf dem Album sind ja “Last Girl On Earth” und “Jazz Guy”, der gut rockt. Welche sind deine?

DD: Mein Favorit ist “Tiger Bomb”, vor allem aufgrund des relaxten Grooves, ich mag aber auch Metaphorik. Es geht um eine weibliche Schlagzeugerin in Seattle, die wir alle mal irgendwie mochten. Jason ist gerade erst mit ihr ausgegangen. Chris und ich sind ja verheiratet – natürlich nicht miteinander – also müssen wir unsere Fantasien durch den Song ausleben.

MUM: Ihr habt einige andere Projekte seit 1997 gehabt. Werdet ihr euch jetzt wieder auf die Presidents konzentrieren, oder ist die Band für euch auch wie ein Projekt?

DD: Ich habe keine Ahnung. Ich hätte nie gedacht, dass wir überhaupt nochmal eine Presidents-Scheibe aufnehmen, also habe ich gelernt, dass man nie weiß, was das verrückte Rock ‘n’ Roll-Geschäft als nächstes für einen bereit hält. Ich würde schon gerne noch mehr mit den Presidents machen, einfach weil es viel Spaß macht und ich glaube, dass wir eine verdammt gute Rock ‘n’ Roll-Band sind.

MUM: Was ist mit deinen Radfahrambitionen? Willst du ein zweiter Lance Armstrong werden?

DD: Ich habe letztes Jahr mit dem Radrennsport angefangen, als Teil meines Versuchs, wieder eine gute Figur zu bekommen, nachdem ich ein fauler Rockstar war. Bevor wir mit den Presidents Erfolg hatten, war ich total fit und immer gut dabei beim Bergsteigen, Fußball und anderen Sportarten. Das Radfahren macht mir echt Spaß. Ich werde älter, bin ja schon 36 Jahre alt, und Radfahren ist für die Knie leichter als die meisten Aerobic Sportarten oder so. Ich habe bei einem lokalen Team angeheuert und fahre so vier bis sieben Tage in der Woche, ein- oder zweimal in der Saison auch Rennen.

MUM: Was glaubst du, wer wird die diesjährige Tour de France gewinnen – ich denke ja, dass unser Jan jetzt mal wieder dran ist.

DD: Ich denke, Jan hat eine Chance, aber er sollte sich von Süßigkeiten fernhalten. Ich habe gehört, dass das Team Telekom ihn auf ein Schiff nach Südafrika oder sonstwo hin gesetzt hat, wo es keinen Apfelstrudel gibt und er den ganzen Winter lang in der prallen Sonne trainieren muss. Ich mag mehr die spanischen Bergspezialisten wie Botero oder Heras, und ich finde, Beloki war einfach toll im letzten Jahr. Ich denke, er kann die Tour auch irgendwann in den nächsten Jahren gewinnen. Meiner Ansicht nach ist Lance einfach super motiviert, er will die Tour etwas mehr noch gewinnen als die anderen Jungs. Ich bin etwas entmutigt vom ganzen Profiradsport momentan, kann diese ganze Dopingdiskussion echt nicht mehr hören. Ich bin mir sicher, dass sie alle auf die eine oder andere Art und Weise dopen, es ist nur die Frage, wer erwischt wird.

MUM: Zurück zur Musik. In den drei oder vier Jahren, wo ihr jetzt nicht als Presidents zusammen gespielt habt, welche neuen Bands haben dich beeindruckt?

DD: Da fällt mir wirklich keine Platte der letzten Jahre ein, die mich begeistert hat, aber ich kaufe mir auch nicht viele neue Scheiben, lieber alte, die für mich neu sind. Ich hole mir gerade viel Klassik, und ich höre immer viel Jazz. Ich denke, zwei meiner Favoriten sind momentan die “Messe in B-Moll” von Bach und das klassische “Mingus Ah Um” von Charles Mingus. Meine liebste Rockplatte der 90er-Jahre war die “I Should Coco”, das Debüt von Supergrass, das ist ein unglaublich tolles Album, da gibt es nicht einen schwachen Moment – außerdem sehen die Jungs scheißcool aus. Wir sind mal kurz mit ihnen getourt, auch ein paar Gigs in Deutschland, 1995 oder 1996, und sie waren fabelhaft. Sie waren wirklich jung, haben Tonnen von Hasch gekifft, und Gaz und Danny haben sich immer erst die Haare hoch frisiert, bevor sie auf die Bühne gegangen sind. Total englisch, echt affig.

MUM: Werdet ihr auf europäischen Festivals im Sommer zu sehen sein?

DD: Noch sind keine Termine bestätigt in Europa. Wir würden aber gerne rüber kommen, wenn die Angebote okay sind. Es ist wirklich schwer, vom Westen der USA nach Europa zu fliegen und ein paar Shows zu spielen, ohne dabei drauf zu zahlen. Wir haben zwei Regeln: es muss sich nach Spaß anhören und wenigstens etwas Geld einbringen.

MUM: Vielen Dank für das Interview, hat Spaß gemacht.

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MUM: Mucke und mehr
DD: Dave Dederer von den Presidents Of The USA

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