Mit “Wurzeln und Flügel” steht seit kurzem endlich das lang erwartete Debütalbum von Pyranja in den Plattenläden. Die gebürtige Rostockerin erlebte die Maueröffnung im Kindesalter und lebt inzwischen in Berlin. Im Alter von 15 Jahren begann sie, selbst das Mikro in die Hand zu nehmen und zu freestylen. Nach ersten Bühnenerfahrungen stand für sie fest, dass sie ihr Ding gefunden hatte – nur geht eben nicht immer alles reibungslos. Im Jahr 2001 war Pyranja einer der großen Lichtblicke im beinahe überschwappenden Rap-Raubfischbecken. Dafür sorgte neben ihrer Performance im Rahmen des “Swingerclub”-Projektes (zusammen mit Curse, Tefla & Jaleel, DCS und Lenny) vor allem ihr beeindruckendes EP-Debüt “Im Kreis” auf Def Jam Germany, mit dem sie auch in die deutschen Single-Charts einstieg. Im Februar 2002 wurde schließlich im ZDF “Will einmal bis zur Sonne gehen…”, ein Dokumentarfilm über Frauen im HipHop-Business, ausgestrahlt, in dem Pyranjas bisherige Karriere neben denen von Cora E. und Brixx beleuchtet wurde. Bereits zweimal war ihr Debütalbum kurz vor der Veröffentlichung und wurde in den Medien groß angekündigt, aber beide Male schloss das Label nur wenige Tage vorher seine Pforten. Nun ist es schließlich das frische Indielabel Dackel Enterprise, bei dem der Longplayer das Licht der Welt erblickt. Zu hören ist gut gelungener HipHop mit interessanten Texten, guten melodischen Elementen, fetten Basslinien und coolen Beats. Teilweise klingen die Stücke sehr relaxt und Pyranja wie ein alter Hase im Geschäft – sie drängt sich nicht auf und profiliert sich auf Teufel komm raus über selbstlobende Texte, Pyranja erzählt ihre Geschichten, und die hört man gerne. Wir stellten ihr einige Fragen zum Album.
“Gib mir Wind, Wasser und Wellen, und Rap existiert für mich schon gar nicht mehr.”
MUM: Erstmal Glückwunsch, dass die Platte endlich da ist. Von Pech mit zwei Labels hast du dich nicht zurück werfen lassen, veröffentlichst jetzt dein Debüt. Wie hat dich das Hin und Her bewegt bzw. verändert?
P: Es hat mich letztendlich nur stärker gemacht, ich lass’ mich nicht klein kriegen. Eigentlich hat mich das ganze Ding auf meinem Weg sogar bestätigt – man darf niemals aufgeben, muss immer an sich glauben und keine Zweifel haben.
MUM: Du bist jetzt bei Dackel – einem Label, dass nicht gerade sehr bekannt ist, aber ja erst richtig loslegt. Wie läuft die Zusammenarbeit?
P: Super! Kleines Label, aber fähige Leute. Man kann viel mitbestimmen und hat alles besser unter Kontrolle als bei ‘ner größeren Plattenfirma.
MUM: Aufgewachsen bist du in Rostock, lebst nun aber in Berlin. Inspiriert dich die Stadt mehr, war sie mehr Chance, oder warum bist du umgezogen?
P: Luftwechsel, ich bin so drauf: Wenn es mich irgendwo langweilt, zieh’ ich halt um. Berlin inspiriert natürlich – wen nicht? Aber es ist auch immer wieder schön, nach Rostock zu fahren und dort Zeit zu verbringen.
MUM: Wo fühlst du dich wohler, in Rostock oder in Berlin? Laut “Rostock” ist es wohl die alte Heimat, was?
P: Äh? Dann würd’ ich ja da wohl noch wohnen. Berlin gibt mir persönlich mehr, allein schon, was die Abwechslung angeht. Außerdem hab ich 13 Jahre in Rostock gelebt, irgendwann wurde es halt Zeit, mir mein eigenes Leben aufzubauen.
MUM: Du sagst, du hättest schon früh Rap gehört. Welche Acts haben dich denn am meisten beeindruckt und geprägt?
P: N.W.A, Gangstarr, 2 Live Crew, Big L, D.I.T.C., Eazy E, EPMD.
MUM: Du hast auf dem Album einige Gäste wie Curse oder Olli Bajno – sind dies Freunde von dir, oder ist dies eine rein musikalische Zusammenarbeit?
P: Alle Leute, die an meinem Album beteiligt sind, sind Leute von mir. Ich wollte nicht nur “big names” haben, damit sich das Ding besser verkauft. Wichtig war mir der Vibe und dass ich mit Leuten zusammenarbeite, mit denen ich mich persönlich sehr gut verstehe. Ein Anruf genügte und die beiden kamen ins Studio.
MUM: Mit wem würdest du gerne mal zusammen Tracks machen?
P: Ich träum nicht, sonder mach’ einfach und lass mich überraschen, wen oder was die Zukunft noch für mich bereit hält.
MUM: Was ist dir wichtig, wenn du Musik machst? Was willst du mit deinen Texten ausdrücken, wie muss ein Track klingen?
P: Musik ist für mich Gefühl und genau darum geht es. Wenn ich einen Beat höre, stelle ich mir vor, wie der fertige Track klingen soll, sich anfühlen soll, und dann leg’ ich los und hör’ nicht auf, bis das Ding fertig ist. Ich kann nicht generell sagen, das und das will ich ausdrücken, das ist von Song zu Song, Stimmung zu Stimmung verschieden. Die fertigen Songs müssen natürlich oberdick klingen.
MUM: Bei der Produktion der Scheibe haben dir viele Leute geholfen – wie viel von dem, was man hört, stammt im Endeffekt von dir außer den Texten?
P: Ich war bei allem dabei, angefangen bei der Beat-Produktion über’s Arrangement bis hin zum Mixen und Mastern – ich hab’ teilweise sogar Cuts für die DJs rausgesucht. Ich hab’ mir die Themen überlegt, ich war bei der Covergestaltung dabei und hab das Video mit konzipiert. In dem Baby steckt ‘ne menge Arbeit, nicht zuletzt lag auch die gesamte Organisation, wer mit wem wo wann in welchem Studio etc., in meiner Hand.
MUM: Was erhoffst du dir von dem Album, was willst du erreichen?
P: Ich erhoffe mir nichts, im Leben kommt es sowieso immer anders, als man denkt. Ich freu’ mich, dass die Platte endlich in den Läden steht, und ich freue mich über das viele positive Feedback. An dieser Stelle: Danke an all die Leute, die mich unterstützen!!!
MUM: Bist du im Sommer auf Festivals live zu sehen? Steht da schon was fest?
P: Kein Plan.
MUM: Welches sind deine drei Lieblingsplatten aller Zeiten?
P: Kann ich nicht sagen, es gibt ‘ne Riesenmenge von Platten, die ich liebe, und je nach Stimmung, Wetter und Jahreszeit sind es immer wieder andere.
MUM: Als Rostockerin mit Anfang 20 hast du ja die Maueröffnung damals schon ganz gut mitbekommen. Wie hast du das erlebt, was hat sich für dich am meisten geändert?
P: Naja, es hat sich so ziemlich alles verändert, aber ich finde das gut. Schwieriger damit umzugehen war es wohl eher für die Generation meiner Eltern und Großeltern. Aber es hat mich schon ziemlich geprägt, so etwas in dem Alter mitzuerleben.
MUM: Stehst du auf Fußball und hältst zu Hansa, oder was für Sport interessiert dich sonst?
P: Klar, Hansa, auf jeden. Ich freu’ mich aber am meisten auf die WM in Deutschland 2006. Sobald es Karten gibt, kauf’ ich alle – ha ha. Ich bin echt schon voll gespannt, was dann hier abgeht. Aber mein größtes Herz schlägt für’s Windsurfen. Gib mir Wind, Wasser und Wellen, und Rap existiert für mich schon gar nicht mehr.
MUM: Nachdem es lange gedauert hat, dein Debüt zu veröffentlichen, hast du doch bestimmt noch viele Tracks in der Hinterhand für einen zweiten Longplayer, oder?
P: Auf jeden. Man darf also gespannt auf das warten, was dieses Jahr vielleicht noch kommt.
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MUM: Mucke und mehr
P: Pyranja
Mehr zu Pyranja gibt es auf ihrer Website.