Home MusikInterviews Terrorgruppe zu ihrem Album “Keiner hilft euch” (04/98)

Terrorgruppe zu ihrem Album “Keiner hilft euch” (04/98)

Autor: Tobi

Die Terrorgruppe meldet sich mit dem sehr starken Punkrock-Album “Keiner hilft euch” zurück, das sich nicht mehr zu verstecken braucht hinter Bands wie den Ärzten, wird klanglich und inhaltlich doch absolut überzeugende Musik verabreicht, die Spaß macht. Grund genug, mit den vier Jungs mal ein paar Worte zu wechseln.

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“Zum Beispiel hat uns ein Punk geschrieben, er hätte uns in Wien gesehen, aber leider das ‘Tresenlied’ nicht, weil er da mit seiner Freundin gerade auf Klo war und gevögelt hat, und wir sollten doch bitte nochmal nach Wien kommen und das ‘Tresenlied’ spielen.”

MUM: Wo seht Ihr die Fortschritte des neuen Albums gegenüber dem letzten?

Terrorgruppe: Das Wort Fortschritt erinnert mich immer so an Progressiv-Rock oder so, das sind wir nicht unbedingt. Oder an CDU-Werbung, “Fortschritt durch Leistung”, oder überhaupt an den Osten, die Ost-Zeit.

MUM: Ihr seht also keinen Fortschritt?

Terrorgruppe: Na wir haben ja mehr im Süden aufgenommen, weniger im Osten. Nein, das Album klingt anders, aber ob man das nun als Fortschritt oder Rückschritt bezeichnet, das ist mir scheißegal. Das Album ist guter.

MUM: Ist es denn kommerzieller?

Terrorgruppe: Kommerzieller heißt ja immer, daß man einen Haufen Geld macht mit dem, was man anbietet…

MUM: Und, werdet Ihr den machen?

Terrorgruppe: Wir haben nicht das Ziel, einen Haufen Geld zu machen, sondern wir wollten eine Platte machen, die uns tierisch gut gefällt, und da war es natürlich wichtig, daß sie nicht so sein durfte wie die letzte, weil das ja dann langweilig geworden wäre. Wiederholung gefällt uns überhaupt nicht.

MUM: Habt Ihr Euch denn stilistisch verändert?

Terrorgruppe: Wir sind poppiger geworden, wenn man das so nennen will. Wir haben die Elemente, die wir sowieso schon immer drin hatten – also Ska, Pop und Reggae – mehr herausgehoben. Wir wollten etwas weg von dem 08/15-Punk, den wir bis dato zwar auch nicht so gemacht haben, aber davon wollten wir möglichst weit weg.

MUM: Warum habt Ihr “Neulich Nacht” als Auskopplung gewählt?

Terrorgruppe: Weil das so ziemlich das eigenartigste ist, was wir bis dato gemacht haben, und weil uns der Song zum Auskoppeln sehr gut gefällt. Das ist aber auch eine Veränderung zur letzten Platte, daß wir diesmal Schwierigkeiten hatten, einen Song als Single auszuwählen, weil sie uns einfach alle total gut gefallen, da sind zehn Singles drauf.

MUM: Das sehe ich auch so, die Platte ist 300% besser als die letzte.

Terrorgruppe: Ja, wir haben uns super viel Zeit gelassen, richtig dran gearbeitet.

MUM: Seid Ihr eigentlich Fans von Sabrina Setlur?

Terrorgruppe: Ja, aber im negativen Sinne. Sie hat uns mal abblitzen lassen.

MUM: Als Vorband.

Terrorgruppe: Neee, als Freier. Quatsch. sabrina Setlur hat letztes Jahr das mieseste Album herausgebracht, was einem so auffällt, wenn man gelegentlich mal was von ihr im Radio gehört hat. Das uns so sehr genervt, da mußte man was gegen sie machen. Das hat ja auch Tradition, wir nehmen uns ja immer Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben heraus, über die wir dann herziehen, wie die Kelly Family oder Linda De Mol, das sind wirklich schon Menschen unterster Geschmacksgarde.

MUM: Wer fällt Euch denn so spontan ein, wer beim nächsten Album dran sein könnte?

Terrorgruppe: Bis dahin gibt es sicher wieder neue Leute, das ist immer so zeitlich bedingt. Ich meine, Lothar Matthäus finde ich scheiße, Hartmut Engler ist ein Arsch … es gibt so viele Ärsche. Eigentlich könnte man eine ganze Platte nur über Leute machen, die man nicht mag, aber das wird dann ja auch langweilig. Wir nennen das Album dann “Arsch 2000”. Vielleicht sollte man nur ein Lied machen und all die Namen dann erwähnen.

MUM: “Leider Nur Ein Traum” ist doch schon ein bißchen in diese Richtung, oder?

Terrorgruppe: Ja, das ist ein Rundumschlag.

MUM: Wie ist denn die Zusammenarbeit mit Lucy zustande gekommen?

Terrorgruppe: Das war ganz lustig. Wir hatten “Heimatfront” geschrieben. Ich mußte das dann immer im Proberaum singen und kam mir irgendwie schizophrem vor. Wir haben dann herausgefunden, daß das eigentlich nur eine Frau singen kann. Wir haben dann überlegt, wer das sein könnte. Einer von uns schlug Nina Hagen vor, die war aber zu alt. Dann kamen wir auf eine von den Lemonbabies, die war uns aber zu naiv. Dann habe ich zufällig so ein Video gesehen von einem neuen Lucilectric-Song, und ich fand die Stimme verdammt geil, die paßt einfach, hat eine laute, wavige Stimme. Wir haben sie dann gefragt, und überraschenderweise hat es überhaupt keine Probleme gegeben. Sie ist runter zu uns geflogen und wir hatten einen riesen Spaß. Sie hat dann auch gleich noch die Backing-Vocals zu zwei anderen Songs eingesungen.

MUM: Das wollte ich als nächstes Fragen, ob bei dem B-52’s-Cover auch sie singt.

Terrorgruppe: Ja, das ist sie, die hat eine großartige Stimme und hat das alles superschnell gemacht. Bei “Heimatfront” hat sie sogar noch am Text mitgeschrieben, das war sehr lustig, weil sogar die derberen Zeilen von ihr kamen.

MUM: Vielleicht kann sie ja hier das rauslassen, was bei Lucilectric nicht so reinpaßt.

Terrorgruppe: Ich habe mir ihr neues Album mal angehört, sie hat da auch schwärzeren Humor drauf. Das ist für deutschen Pop schon oben anzusiedeln.

MUM: Wie seid Ihr denn drauf gekommen, die B-52’s zu covern?

Terrorgruppe: Langer Traum von mir. Das ist eine der großen bands, und wir beschimpfen unsere Musik ja jetzt auch schon als Aggropop und machen keinen Hehl daraus, daß wir so manches aus dem Popbereich gut finden, und die B-52’s sind aus dem Pop und wave eine der besten und größten Bands gewesen. Zuerst hatten wir uns “Give Me Back My Man” ausgesucht, das war ja mal ein großer Hit, dann aber doch für “60608-842” entschieden, da konnte man nah am Original bleiben, weil das ja heute eigentlich keiner mehr kennt. Das hat schon Spaß gemacht.

MUM: Seht Ihr Euch denn noch richtig als Punkband?

Terrorgruppe: Wir sind eine Punkband. Eine, die Popmusik interpretiert.

MUM: Werdet Ihr denn von der Punkszene noch richtig angenommen? Es gibt ja so Bands wie Heilige Drei Könige, die nicht so richtig akzeptiert werden.

Terrorgruppe: Die hatten auch nicht so einen Boden in der Szene, nicht das Umfeld. Wir haben von Anfang an klargemacht, daß wir Punk schlicht verstehen als das zu machen, was wir wollen, und das tun wir nach wie vor. Die Leute, die das begriffen haben, die nehmen uns an, Hardliner und Szenepunks finden das hingegen eher scheiße, denen sind wir zu poppig oder zu lustig, vielleicht auch zu unpolitisch, das war aber schon immer so.

MUM: Mit wem würdet Ihr denn gerne mal spielen, wenn Ihr Euch das aussuchen könntet?

Terrorgruppe: Mit irgend so einer oversexten Frauenband wie En-Vogue, wo man so Erotik pur spürt…

MUM: Ich meinte jetzt mehr so live spielen, nicht an den Mädels spielen.

Terrorgruppe: Das gehört doch aber dazu. Nein, wir haben uns das auch schon mal überlegt, wir haben mit den Ärzten gespielt, mit den Hosen, NOFX, Green Day. No Doubt wäre geil, oder Prodigy, dann hast Du da so ein paar techno-supermoderne Kids im Publikum, die mt unserer Musik wahrscheinlich überhaupt nichts anfangen können, das hat ja auch seinen Reiz.

MUM: Das Publikum bei Prodigy sieht gar nicht so aus, das ist sehr gemischt. Die sind recht offen für alles.

Terrorgruppe: Ein großer Traum wäre es, mal mit so Leuten wie BAP zu spielen und die dann richtig an die Wand zu kneten. Das wäre geil, du gehst auf die Bühne und bläst einfach so ein paar alte Säcke weg, oder die Rolling Stones, aber die spielen ja nur Playback.

MUM: Ach das macht Ihr nicht?

Terrorgruppe: Neeee!

MUM: Habt Ihr denn so richtige Freunschaftsbands?

Terrorgruppe: Ja, auf jeden Fall. Die Kassierer mögen wir gerne, mit den Ärzten könne wir ganz gut, mit den Hosen eigentlich auch. Freundschaften kommen immer, wenn man zusammen auf Tour ist und sich gut versteht und lustig findet.

MUM: Glaubt Ihr denn, daß Ihr eine Größenordnung der Ärzte erreichen könntet?

Terrorgruppe: Das ist uns egal. Natürlich freuen wir uns, wenn viele Kids auf uns abfahren, unsere Platten kaufen, zu unseren Konzerten kommen und sich dann auch noch so verhalten wie wir. Das sehen wir dann an den Fanbriefen, die man so bekommt, die werden immer verrückter. Die bezahlen unsere T-Shirts jetzt mittlerweile schon mit McDonalds-Coupons, so durchgeknallt sind die.

MUM: Bekommt Ihr denn viele Briefe?

Terrorgruppe: Ja, schon. Zum Beispiel hat uns ein Punk geschrieben, er hätte uns in Wien gesehen, aber leider das “Tresenlied” nicht, weil er da mit seiner Freundin gerade auf Klo war und gevögelt hat, und wir sollten doch bitte nochmal nach Wien kommen und das “Tresenlied” spielen.

MUM: Kann er sonst nicht, oder wie?!?

Terrorgruppe: Wir haben auch schon Nacktfotos mit Weichteilen bekommen, von Mädchen sogar, da gibt es schon ein paar derbere Sachen, die trauen sich schon was.

MUM: Also Ihr wollt nicht Euer Konto bereichern, sondern die Groupie-Rate?

Terrorgruppe: Groupies gibt es ja gar nicht mehr, die sind auch zu jung dazu, die sind ja alle unter 18, und das wäre ja strafbar. Seit Aids hat das alles glaube ich total abgenommen mit dem Groupieverhalten.

MUM: Quatscht Euch eigentlich die Plattenfirma irgendwie rein in das, was Ihr macht, oder habt Ihr freie Hand?

Terrorgruppe: Nein, wir quatschen denen rein. Singleauswahl, Anzeigenschaltung, wann wir wo auf Tour gehen, das liegt alles bei uns. Auch Covergestaltung, T-Shirts, Plakate, einfach alles, selbst die Wahl des Bassisten.

MUM: Solange die Verkaufszahlen stimmen ist das ja dann auch okay. Damit ist das Label zufrieden, und Ihr seid es auch?

Terrorgruppe: Die Verkaufszahlen sind schon okay, aber natürlich könnte es immer mehr sein.

MUM: Von der Musik könnt Ihr aber leben, oder?

Terrorgruppe: Neeee, das ist sicher aber das, was wir uns noch erhoffen würden. Wir stecken das erarbeitete Geld immer komplett in die Musik, haben daher auch stets Probleme mit unserem Lebensunterhalt, das ist eben schwer zu vereinbaren.

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MUM: Mucke und mehr

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