Home MusikInterviews Young Fathers im Interview zu ihrem UK-Top-Ten-Album “Heavy Heavy” (06/23)

Young Fathers im Interview zu ihrem UK-Top-Ten-Album “Heavy Heavy” (06/23)

Autor: Tobi
Young Fathers (© Matt Brown)

(© Matt Brown)

Als die Young Brothers aus dem schottischen Edinburgh im Februar 2023 ihr viertes Album “Heavy Heavy” veröffentlichten, da hätten sie vermutlich selbst nicht gedacht, dass sie hiermit nicht nur hochlobende Kritiken einheimsen, sondern bis auf Platz 7 der UK-Charts und Rang 2 in Schottland klettern und zudem noch von Depeche Mode eingeladen werden würden, sie als Support-Act nach Lyon, Düsseldorf, Bern, Dublin, London und München zu begleiten, was ihnen die Chance eröffnet, sich in den allergrößten Stadien einer Masse von Fans zu präsentieren (lies unseren Konzertbericht aus Düsseldorf hier).

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Graham “G” Hastings, der in Liberia geborene Alloysious Massaquoi und der als Sohn nigerianischer Eltern in Edinburgh geborene, aber über Jahre in Maryland/USA und Nigeria aufgewachsene Kayus Bankole waren schon lange Freunde, bevor sie sich dazu entschlossen, zusammen zu musizieren. Von eindeutigerem HipHop entwickelteten sie sich hin zu einem ganz eigenen Stil, der als Fusion aus Indie-Pop, Soul, HipHop, experimentalen Momenten und weltmusikalischen Elementen einfach besonders klingt und einen zu packen weiß, mal energetisch treibend, mal stimmungsvoll getragen.

2014 erschien mit “Dead” das Debütalbum, mit dem die Young Fathers vor allem Aufsehen dadurch erregten, dass sie als Underdog gegen weit größere Namen wie Damon Albarn oder FKA Twigs den prestigeträchtigen Mercury Music Prize für das beste britische oder irische Album der lezten 12 Monate gewannen, was ihnen dann auch half, Platz 35 der UK-Charts zu erreichen. 2015 folgte mit “White Men Are Black Men Too” ein zweiter Longplayer, und nachdem nicht weniger als drei Songs der Band es 2017 auf den Soundtrack des Films “T2 Trainspotting” schafften, erschien 2018 das dritte Album “Cocoa Sugar”, mit dem es in Schottland erstmals in die Top Ten ging.

Vor ihrem Support-Gig für Depeche Mode in Düsseldorf am 6. Juni 2023 hatten wir die Möglichkeit, die Young Fathers in den Katakomben der MERKUR SPIEL-ARENA zu treffen und ihnen Fragen zum Album, ihrer Karriere und auch der aktuellen Vorband-Aktivitäten zu stellen.

“Statistiken machen Dinge greifbarer, aber wenn du als Independent-Band daher kommst, während andere einen A&R-Manager und viel Geld mitbringen, dann machst du Musik vor allem für dich selbst und konzentrierst dich hierauf.”

MUM: Zuerst einmal Glückwunsch zum Erfolg des Albums, mit dem ihr auf Platz 7 in Großbritannien gelandet seid.

KB: Oh, okay, das wusste ich gar nicht. Wusstet ihr das? Das ist gut.

AM: Ja, an einem Tag war das Platz 2, dann 4, und als die Zahlen für die Woche heraus kamen, war es Rang 7.

MUM: War das eine große Überraschung, oder interessiert es euch vielleicht gar nicht, wenn ihr das teilweise nicht wusstet?

KB: Wir haben da unterschiedliche Ansichten bzgl. solcher Zahlen.

AM: Dieses Mal sind wir auch zu viel mehr Orten gegangen, um Alben zu unterschreiben. Das hatten wir vorher nicht getan, aber es hat sicher geholfen, selbst vor Ort zu sein und eine neue Scheibe zu präsentieren.

GH: Wir nehmen immer das, was wir bekommen. Statistiken machen Dinge greifbarer, aber wenn du als Independent-Band daher kommst, während andere einen A&R-Manager und viel Geld mitbringen, dann machst du Musik vor allem für dich selbst und konzentrierst dich hierauf.

MUM: Aber meint ihr, der Charterfolg hat geholfen, hier jetzt als Support mit Depeche Mode unterwegs zu sein, oder hattet ihr irgendwelche anderen Verbindungen?

GH: Nein, wir hatten da keine Verbindungen. Soweit ich weiß sucht Martin die Vorbands aus. Wir sind generell keine Band, die über Nacht großen Erfolg hat, das ist eine Geschichte des kontinuierlichen Wachsens, in der es natürlich Momente mit Höhen und Tiefen gibt. Ich denke, einer der Gründe, warum wir jetzt hier sind, ist, dass sie hoffen, dass die Leute uns mögen.

KB: Wenn wir unsere Headline-Shows spielen, dann ist es uns auch egal, wie populär ein Support ist. Es geht darum, wie sehr wir ihn mögen, um den Leuten insgesamt einen guten Abend zu bieten. Ich denke, mit Depeche Mode ist das ähnlich, sie wollten jemanden dabei haben, den sie mögen. Jehnny Beth ist bei dieser Tour auch als Support dabei, und bei ihr ist es etwa die gleiche Sache, es geht um Bands, die Spaß bereiten, denn man ist ja eine ganze Weile unterwegs, da will Spaß an guter Musik haben.

MUM: Habt ihr mehr Spaß daran, als Headliner zu spielen, oder ist so etwas auch gut?

KB: Beides, alles.

MUM: Vermutlich spielt ihr hier vor sehr vielen Leuten, die euch gar nicht kennen und bei denen ihr dann die Chance habt, sie für euch zu gewinnen.

AM: Ja, potentiell, aber das ist eine zweischneidige Sache. Zum einen ist es eine Gelegenheit, uns zu zeigen und neue Fans zu gewinnen, aber auf der anderen Seite sind die Leute natürlich hier, um Depeche Mode zu sehen, und denen ist es oft egal und die wollen einfach eine Abwechslung in den vielen Stunden Wartezeit. Aber für uns ist das auch eine gute Gelegenheit, Songs auszuprobieren, mit verschiedenen Sets und Arrangements – Dinge, die wir dann in andere Shows implementieren können.

GH: Es kann auch unterhaltsam sein, wenn die Leute gegen einen sind. Es macht Spaß, als Headliner aufzutreten und die Leute sind für dich gekommen, aber es gibt auch gute Momente, wenn du andere Reaktionen erfährst.

MUM: Gerade in Deutschland können Depeche Mode Fans auch einigermaßen fies sein gegenüber Support-Acts, die sie nicht mögen.

AM: Ja, wir haben auch einige Buh-Rufe gehört, das war cool. (lacht)

KB: Am Ende bist du froh, mit live unterwegs zu sein, und wenn die Leute ihre Emotionen ausdrücken, ob eine Art Begeisterung oder auch Ablehnung, wie auch immer der Geschmack ist, dann hast du schon irgendetwas richtig gemacht.

MUM: Wie ich sehe habt ihr einige Liveunterstützung mitgebracht. Wie viele Leute seid ihr auf der Bühne?

GH: Wir sind acht.

MUM: Ist das euer übliches Set-Up?

GH: Nein, das machen wir seit Februar diesen Jahres so.

KB: Es spiegelt den Gemeinschafts-Gedanken den Albums wider, mehr Leute auf der Bühne, mehr Bewegung. Viele der Songs auf der Scheibe haben zusätzlichen Gesang, und das bringt auch viel Energie. Das wollten wir bestmöglich auf die Bühne übertragen, und eine größere Band vorzustellen, wollten wir schon immer tun, und das hat jetzt Sinn gemacht.

MUM: Bis die erste Single “Geronimo” vor etwa einen Jahr veröffentlicht wurde, hattet ihr ungefähr vier Jahre Pause gemacht. Habt ihr die Pandemie zur Erarbeitung neuer Songs genutzt, oder was habt ihr gemacht?

GH: Wir hatten auch etwas Zeit für uns und unsere Familien. Dann aber wollten wir wieder ins Studio, und das war nicht so anders, nur wir drei in unserem Studio, aber wir hatten mehr Zeit, Sachen noch genauer auszuarbeiten, weniger Unterbrechungen. Wobei wir immer schnell arbeiten, und wir haben auch hier nicht das Tempo heraus genommen, kaum Tageslicht gesehen. Wir haben einfach viel mehr aufgenommen, weil wir mehr Zeit hatten. Am Ende hatten wir Stücke für mehrere mögliche Alben, aber wir haben dann die ausgewählt, die das “Heavy Heavy”-Gefühl verkörpern.

MUM: Gibt es eine Kernaussage des Albums?

GH: Das nicht, aber ein Kerngefühl, und das versuchen wir auch mit auf die Bühne zu bringen. Die Gemeinschaft, zusammen zu sein, Leute zusammen zu bringen, zusammen zu singen. Vielleicht das Gegenteil zu dem, wie sich die Welt entwickelt, aber wir wollten das transportieren.

MUM: Viele Leute haben sicher ein Problem, euren Musikstil zu beschreiben. Ist das etwas, was euch gefällt, weil es verdeutlicht, dass ihr besonders seid?

AM: Das war mit jedem Album so, das wir gemacht haben. Es ist auch irgendwie witzig, die Umschreibungen zu lesen, zuletzt war es irgendwas mit Rap und Psychedelic Rock (lacht). Wir machen einfach, was wir machen. Ich kann schon verstehen, dass Leute kleine Momente herauspicken und dann sagen, dass sie etwas an The Clash, NWA oder wen auch immer erinnert, aber wir wollen einfach das machen, was wir tun und was sich für uns neu anfühlt und aufregend für uns ist. Früher oder später werden sie einfach sagen ‘das sind die Young Fathers’, und ich freue mich auf diesen Moment.

KB: Wir sitzen nicht im Studio und fragen uns, wie wir den Kopf der Leute durcheinander bringen können. Wir drücken einfach aus, was wir in dem Moment fühlen. Da sind viele Emotionen auf dem Album, aber anstatt das Geradeaus-Gefühl der Liebe zu umschreiben, tauchen wir lieber in ihre Komplexität ein, denn Liebe kann schmerzhaft sein, sie kann sehr schön sein, oder sie interessiert dich gar nicht.

GH: Im Studio reden wir auch gar nicht so viel, wir machen lieber und stecken unsere Energie in die Musik. Wir machen gerne Alben und etwas, was sich für uns als Ganzes anfühlt, darum geht es.

KB: Wir sind definitiv in einer Industrie des Zu-viel-Fühlens und Zu-viel-Denkens. Wie Graham gesagt hat, wir lassen uns lieber auf etwas ein und konzentrieren uns hierauf.

MUM: Glaubt ihr, die Pandemie hat einen Einfluss auf die Songs gehabt?

GH: Wir arbeiten sowieso abgeschieden, in einem Kellerstudio ohne Fenster, für uns war das nicht so anders. Aber dieser Gemeinschafts-Gedanke des Albums, der sich entwickelte, stellte natürlich den Kontrast zu dem dar, was gerade in der Welt passierte.

AM: Und gleichzeitig wurde es allen umso deutlicher, wie wichtig es ist, zusammen sein zu können.

MUM: Ihr habt auch weltmusikalische, tribale Elemente in euren Songs. War das immer so?

AM: Da kommt die Musik im Grunde her, und diese Gesänge und das Antworten darauf passen gut zum Gemeinschafts-Gefühl des Albums, deshalb kommen diese afrikanischen Wurzeln etwas mehr heraus. Weltmusik ist einer der Aspekte, die sich in unserer Musik finden lassen.

MUM: Mit “Rice” seid ihr beim Soundtrack des FIFA 23 Videospiels vertreten gewesen, so wie schon einmal mit “Border Girl” bei FIFA 19. Spielt ihr auch, oder geht es hier darum, eure Musik bekannter zu machen?

AM: Es ist nur Promotion, aber ich mag FIFA, mein kleiner Bruder hat es, und alle seine Freunde sagten etwas wie ‘Hey, dein Bruder ist doch bei den Young Fathers, die sind dabei’.

MUM: Ihr nehmt eure Musik selbst in die Hand.

GH: Ja, das war schon immer so. Wir würden bei keinem Label unterschreiben, welches uns Vorgaben macht. Wir erschaffen, was wir machen, und dann geben wir es ihnen. Alles andere würde für uns nicht funktionieren.

MUM: Ihr seid drei, also habt ihr vermutlich verschiedene Lieblingssongs auf dem Album. Gibt es einen, der auf der Bühne einfach am meisten Spaß macht?

AM: Das ändert sich oft, und manchmal fühlt sich ein Song dann auch überraschend anders an, wenn man ihn live perfomt. Einige Songs, bei denen du annimmst, dass sie live gut funktionieren, tun dies nicht, und andersherum genauso. Da gibt es immer Überraschungen. Bei “Geronimo” zum Beispiel war dies so, dass ich dachte, der würde auf Platte viel besser sein, aber live ließ er sich dann doch sehr leicht übertragen. Ich weiß nicht warum, aber einige Sachen klappen dann sehr gut.

GH: Ich habe mir das Album überhaupt nicht mehr angehört, seit dem es veröffentlicht wurde. So bekommst du auch die Freiheit, Stücke live zu etwas eigenem zu machen, sie so zu formen, wie sie sich auf der Bühne am besten anfühlen.

KB: Total, das erlaubt dir, Dinge neu anzugehen und weiterzuentwickeln.

MUM: Die Support-Tour für Depeche Mode bringt euch noch nach Bern, Dublin, London und München. Gibt es eine Location, auf die ihr euch besonders freut?

GH: Nein, aber es ist schon etwas Besonderes, in Stadien zu spielen. Wir haben schon über Gemeinschaft gesprochen, aber das überträgt sich. Wir haben mal als Support für Massive Attack in Brixton gespielt, und ein paar Jahre später haben wir dort als Headliner vor ausverkauftem Haus gestanden. Wenn du nun im Stadion stehst, dann kannst du dir vorstellen, wie es wäre, wenn du der Hauptact wärest, auch wenn das vermutlich nie passieren wird.

MUM: Auch wenn das Album noch recht neu ist, habt ihr schon weitere Pläne für neue Sachen?

KB: Wir haben schon drüber gesprochen, was wir mit den Sachen machen, die wir erschaffen und nicht genutzt haben, aber es entstehen auch ständig neue Ideen, weil wir immer kreativ sind. Wir versuchen aber auch, uns zu entspannen und nicht immer daran zu denken, was als nächstes kommen muss.

MUM: Gibt es irgendein Festival, das ihr mal spielen wollt?

AM: Ich denke, wir tun das bereits. Glastonbury ist immer gut, irgendwie fühlt es sich verrückt an, wohl wegen der vielen Leute und allem, was da passiert – das mag ich. Ich finde auch das Roskilde Festival gut. Wir sind da dieses Jahr nicht, aber ich freue mich schon, irgendwann wieder dort zu sein.

KB: Es gibt auch immer Überraschungen, wie Festivals, von denen du noch nie gehört hast, und dann wirst du dafür gebucht und die Leute zeigen hervorragende Reaktionen, oder auch das Set-Up und die Umgebung sind unerwartet gut – so etwas gibt es immer wieder mal. Auf solche Events freue ich mich, und nicht nur bei Festivals, sondern generell bei Live-Perfomances.

MUM: Was steht als nächstes an? In Europa hattet ihr schon schon Headliner-Gigs im Frühjahr.

GH: Ja, wir spielen noch einige Festivals, und dann kommt die Amerika-Tournee. Und wie Alloysious schon sagte, je mehr du Songs spielst, umso besser kannst du sie formen und weiterentwickeln. Jedes Set ist unterschiedlich, und auch wenn wir Zeitbeschränkungen haben, so macht es doch viel Spaß, wir haben immer auch gerne kurze Sets gespielt. Da ist nichts Negatives dabei.

KB: Wir kommen gut mit Limitierungen zurecht – wie bekommst du die Leute, was holst du heraus? Das ist ein wichtiger Teil als Band.

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GH: Graham “G” Hastings
AM: Alloysious Massaquoi
KB: Kayus Bankole
MUM: Mucke und mehr

Mehr Informationen zu den Young Fathers findet man auf www.young-fathers.com und facebook.com/youngfathers.

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