Einer der absolut besten unter all den Geheimtipps im Musikbusiness ist Kieran Goss aus Irland. Erst studierte er nach Beendigung der Schule Jura und arbeitete ein Jahr als Anwalt, bevor es ihm zur Musik zog. Während der 80er-Jahre lebte Kieran eine Zeit lang in Amerika. Dort spielte er auf einer Party Gitarre und sang, woraufhin ihn ein ebenfalls anwesender Angestellter einer Plattenfirma ermutigte, dies zum Beruf zu machen. Zurück in Europa, sattelte Kieran die Gitarre und reiste weiter durch dir Lande, wobei er auch fast zwei Jahre Bergisch Gladbach nahe Köln Station machte. Seine Deutschkenntnisse von damals hat er nicht verloren, die Zeit als Straßenmusiker sicher nicht vergessen. Irgendwann entschied sich Kieran, zurück nach Irland zu gehen und seine eigenen Platten aufzunehmen.
Kieran Goss ist in seiner Heimat mittlerweile einer der bekanntesten Künstler. Sein Album “Worse Than Pride” aus dem Jahr 1998 hat mittlerweile Doppelplatinstatus erreicht, zwei Top-20-Singles gingen daraus hervor, und dies alles ohne eine Major-Label im Rücken, entschied sich der Songwriter doch früh dafür, seine Scheiben auf einem eigenen Label (Cog Communications) unter das Volk zu bringen. Das Irish Music Magazine wählte Kieran sogar zum besten zeitgenössischen Künstler – soweit zum Erfolg in der Heimat. Hierzulande bekam man Kieran Goss lange Jahre nur als Import zu kaufen, bis “Worse Than Pride” dann im Januar 2000 endlich durch Edel/Contraire vertrieben wurde und ebenfalls positive Resonanzen unter Kritikern und auch Käufern auslöste.
Die Musik von Kieran Goss klingt warm, handgemacht und ehrlich. Seine Songs, ob einfach mit Akustikgitarre oder mit Unterstützung mehrerer Instrumente intoniert, sind melodisch, meist ruhig, oft melancholisch – vor allem aber einfach schön. Bestes Beispiel ist die neue CD “Red Letter Day”, seine fünfte insgesamt nach “Brand New Star”, dem Duettalbum “Frances Black & Kieran Goss” (Dreifachplatin), “New Day” und eben “Worse Than Pride”. Etwas moderner präsentiert sich Kieran Goss, der viele Stücke zusammen mit anderen Songwritern erarbeitet hat, und “Unconditionally Yours” ist sogar mit soft groovenden Beats angereichert. Unverkennbar ist es aber die Musik von Kieran Goss, die sich in voller Schönheit den Weg in die Gehörgänge bahnt und dort am liebsten für immer verweilen will. Über das Album und sein ereignisreiches Leben sprachen wir mit dem sympathischen Iren.
“Gerade heutzutage, wo das Leben so schwer und jeder so vielbeschäftigt ist, muss man eine kleine Ecke finden, wo man sich entspannen kann, und das ist es, was ich versuche, mit meinen Konzerten zu bieten.”
MUM: Kieran, du hast wirklich 14 Geschwister?
K: Ja, das stimmt. Ich bin Nummer zehn. Wir sind eine sehr irische, katholische Familie. Das war aber toll, ich habe sieben Schwestern und sieben Brüder. Ich kannte als Kind nichts anderes. In Irland war das gar nicht so ungewöhnlich. In meiner Stadt in Nord-Irland kenne ich eine Familie mit 19 Kindern, und ein Freund von mir aus Universitätszeiten ist das erste von 21 Kindern. Das ist sehr irisch und sehr katholisch.
MUM: Hast du Kinder?
K: Nein. Wir haben vor zwei Jahren geheiratet, und wir üben noch. Übung macht den Meister.
MUM: Wieviele werden es denn?
K: Nicht 15, soviel kann ich sagen. Wir haben zu spät angefangen. Aber das war auch damals, da gab es keine Verhütungsmittel. Meine Mutter hat immer gesagt, dass Gott all die Kinder gesandt hat. Jetzt ist das anders. Für Leute wie mich ist es ganz normal, zwei oder drei Kindern zu haben.
MUM: Macht irgendeiner deiner Geschwister auch Musik?
K: Ich habe einen jüngeren Bruder, der spielt sehr gut Jazzgitarre. Mein Vater hat Akkordeon gespielt und interessiert sich sehr für irische traditionelle Musik. Meine Mutter liebte die Lieder von Cole Porter und Frank Sinatra. Meine älteren Brüder und Schwestern hatten die Platten der Beatles und Rolling Stones gekauft. Früher, als ich zur Schule ging und eine elektrische Gitarre hatte, wollte ich am liebsten bei Led Zeppelin oder Status Quo spielen. Als ich älter war, da habe ich mir die Platten von Paul Simon und James Taylor gekauft. Was ich mache, ist eine Mischung aus vielen Songwritern. Es ist wichtig, diese Einflüsse zu sehen, aber ich habe versucht, meinen eigenen Weg zu gehen, meine eigene Stimme zu finden. nach fünf Platten habe ich dies mit “Red Letter Day” jetzt endlich geschafft. das Album ist altmodisch und modern zugleich, du hast die akustischen Singer/Songwriter-Sachen, aber auch Songs, die gut ins Radio passen. Eine echte Mischung. Aber um zur Frage zurück zu kommen, ich bin der einzige, der Musik zum Beruf gemacht hat, alle anderen haben normale Jobs wie Anwalt, Steuerberater oder so.
MUM: Du hast ja auch Jura studiert.
K: Ja, in der Queens Universtität in Belfast. Das Studium hat fünf oder sechs Jahre gedauert. Ich habe dann als Anwalt in Nord-Irland gearbeitet, aber dann habe ich es aufgegeben. Jura zu studieren war sehr interessant, aber als Anwalt zu arbeiten war total anders. Es war langweilig. Weißt du, jeden Tag musst du mit Leuten sprechen, die Probleme haben, das ist dein Job. Das ist eine Woche lang okay, aber dann kommt noch ein Mensch mit noch einem Problem, und noch einer. Irgendwann sagst du dir, dass es dir egal ist, dass das nicht dein Problem ist. Ich habe also meinen Job als Anwalt aufgegeben und wusste nicht genau, was ich tun wollte. Ich wusste aber genau, was ich nicht tun wollte. Ich habe mich dann entschlossen, ein bisschen zu reisen und mir Zeit zu nehmen, meinen Kopf klar zu kriegen. Ich interessiere mich sehr für Sprachen, also habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, zu reisen. Ich habe in Köln und in Frankreich gelebt, habe Deutsch und Französisch gelernt. Das hat Spaß gemacht. Um ein bisschen Geld zu verdienen, habe ich auf den Straßen gespielt und in Irish Pubs, aber das waren nur Coverversionen gespielt.
MUM: Von wem?
K: Von Simon & Garfunkel oder den Beatles, und irische traditionelle Folksongs in den Pubs. Ich habe damals auch schon selbst Lieder geschrieben und wollte sie auch aufnehmen. Nach zwei Jahren habe ich mich also dann entschlossen, nach Irland zurückzukehren und eine echte Karriere als Musiker anzufangen. Das aber auch, weil ich Irland vermisst habe. In Deutschland hatte ich viele Freunde gefunden, aber deine Heimat bleibt deine Heimat, und ich wollte wieder in Irland leben. Ich habe diese ganz bestimmte Atmosphäre und Stimmung vermisst. Ich war zufrieden in Deutschland und glücklich, hier über ein Jahr zu leben, aber das Leben ist völlig anders. Da gibt es eine Grenze zwischen den Leuten. In Irland ist es einfacher, Freunde zu finden. Das habe ich vermisst, aber auch die Zeit ist hier viel wichtiger als in Irland. Hier ist 6 Uhr 6 Uhr, in Irland ist das oft halb 7 oder 7. 1989 bin ich zurück nach Irland, und ich lebe immer noch dort, in Dublin. natürlich ist Irland aber nicht perfekt, wie jedes Land haben wir Probleme, aber meistens liebe ich Irland.
MUM: Du wolltest dann keinen Plattenvertrag haben?
K: Nein, was ich getan habe, war anders. Ich wusste durch meine Kontakte und Erfahrungen als Anwalt, wie ich Geld bekommen könnte. Ich wollte meine eigene Platte aufnehmen, aber ich wusste, dass meine Musik nicht sehr modern ist, nicht hip oder cool. Ich habe als Anwalt manchmal für andere Künstler gearbeitet, bei Verhandlungen mit Plattenfirmen, ich wusste also genau, wie das abläuft. Ich habe keine Möglichkeit gesehen, einen Plattenvertrag zu bekommen. Ich habe also mit der Bank gesprochen, dass sie mir Geld geben sollen. Die wollten einen Wirtschaftsplan sehen, also habe ich einen geschrieben, und dann habe ich das Geld erhalten, um die Platte zu machen. Ich konnte das dann auch ganz schnell zurückzahlen. Für das zweite Album habe ich noch einmal Kredit aufgenommen. So war das aber für mich viel einfacher. Ich habe alle meine Kraft benutzt, meine Platte aufzunehmen und zu promoten. Vielen Künstler verschwenden zuviel Kraft dabei, einem Vertrag nachzulaufen, und das ist dann ihr Ziel. Ein Vertrag ist nur eine Gelegenheit, eine Chance, dass vielleicht deine Platte veröffentlicht wird. Ich bin zufrieden, dass ich nicht jeden Tag mit Geschäftsleuten sprechen muss, wenn ich etwas tun möchte, wenn ich in Deutschland meine Platten veröffentlichen möchte oder so. Ich kann das selbst entscheiden, und ich kann meine Kraft benutzen, Lieder zu schreiben, Platten aufzunehmen, sie zu veröffentlichen und zu promoten. In der letzten Zeit mit dem Erfolg in Irland und England haben einige große Plattenfirmen angerufen, die mich unter Vertrag nehmen wollten, aber es ist zu spät. Das brauchte ich vor 15 Jahren, aber jetzt nicht mehr. Hier in Deutschland hätte mir keine Firma so eine Unterstützung gegeben. Ich habe eine Struktur, eine Mannschaft, die mich bei dem, was ich hier tue, unterstützt. Ich habe Presse-Promotion, Radio-Promotion und einen guten Vertrieb, damit ich nicht nur diese Platte veröffentlichen kann, sondern alle meine Platten. Ich kann das selbst aufbauen. Wenn Erfolg in Deutschland eine Leiter wäre, dann bin ich erst auf der ersten Stufe, und ich kann nur langsam hinaufklettern, Jahr für Jahr, und ich mache das, ich nehme mir die Zeit.
MUM: Gibt es konkrete Pläne, die ersten drei Platten hier zu veröffentlichen?
K: Ja, nächstes Jahr, hoffe ich. Im Augenblick ist es noch zu früh, das lohnt sich noch nicht. Es ist Arbeit genug für uns, meinen Namen bekannter zu machen, einen Platz für Kieran Goss in dem Markt zu finden. Im Januar haben wir “Worse Than Pride” veröffentlicht, und das war sehr gut. Wir mussten Kieran Goss den Journalisten vorstellen, und denjenigen, die die Ware für die Plattenläden bestellen. Das haben wir getan, und die Scheibe hat fast 4000 Einheiten verkauft. Das ist nicht viel, aber für jemanden, den vorher niemand kannte, ist das okay. Ich glaube, der Moment war aber gut, und das ist auch der Grund, warum jetzt so schnell die nächste Platte veröffentlicht wird. Wir müssen Stück für Stück weiterbauen. Ich habe jetzt auch wieder eine Tournee, und in jeder Stadt kann ich mit Presse und Radio reden, ich kann mit den Leuten im Geschäft reden. Das ist eine Möglichkeit, in jeder Richtung zu arbeiten, und eine gute Methode, zu bauen. Es ist einfacher, mit den Menschen zu reden.
MUM: Ich denke, dass diejenigen, die ein Konzert von dir besucht haben, auch wiederkommen, weil ja nicht nur die Musik gut ist, du sprichst ja auch viel mit den Leuten und bist immer lustig, und das ist sehr sympathisch.
K: Ich versuche immer, eine Verbindung zu den Leuten zu knüpfen. Ich denke, dass die meisten Künstler auf der Bühne zu weit entfernt sind vom Publikum. Ich hasse es, in solch ein Konzert zu gehen. Ich habe vor einiger Zeit Sting in Dublin gesehen. Das war sehr professionell, technisch natürlich sehr gut, aber es war zu kalt. Man hatte den Eindruck, dass er genau das selbe jeden Abend abspult. Bei der kommenden Tournee bin ich alleine auf der Bühne mit meiner Gitarre. Dadurch habe ich die Gelegenheit, mit den Leuten zu sprechen, ein persönliches Verhältnis aufzubauen, damit sie hinterher den Eindruck haben, mich besser zu kennen. Man sagt oft, dass die Leute nach einem Konzert die Lieder auf den Lippen haben müssen. Ich denke aber, dass sie auch ein Lächeln auf den Lippen haben müssen. Gerade heutzutage, wo das Leben so schwer und jeder so vielbeschäftigt ist, muss man eine kleine Ecke finden, wo man sich entspannen kann, und das ist es, was ich versuche, mit meinen Konzerten zu bieten. Ich versuche, persönlicher zu sein, und auch mal Hintergründe zu erklären, warum ich ein Lied geschrieben habe. Ich spreche auch über meine Kindheit in Irland. Das ist mein Weg, aber ich will nicht sagen, dass es der einzige Weg ist.
MUM: Aber das ist ein angenehmer Weg, besser als Anonymität. Bist du denn teilweise auch mit anderen Musikern auf Tour?
K: Damals war ich das, aber in der letzten Zeit spiele ich lieber alleine. Fünf oder sechs Jahre lang habe ich mit Band gespielt. Das war immer noch Kieran Goss, aber mit anderen Musiker eben. Man muss dann aber immer einen festen Plan haben und dabei bleiben. Alleine ist es einfacher, spontan zu sein, da brauchst du dich nicht darum sorgen, ob der Schlagzeuger ein Lied kennt, oder ob er es mal kannte und vielleicht vergessen hat. Ich finde das einfacher, aber manchmal vermisse ich es auch, dass andere Leute da sind, vor allem wenn ich müde bin, dann konnten sie ein Solo spielen oder auch ein bisschen singen. Meistens aber finde ich es besser, alleine zu spielen. Ich habe mit Band damals mal eine Tournee durch Australien gemacht. Die hat gut geklappt, es kamen auch viele Leute, aber als ich nach Irland zurückflog, da wurde mir klar, dass ich zuviel Geld dabei verloren hatte, und das nach einem Erfolg. Ich habe mich entschlossen, nur noch alleine zu touren, da brauche ich nur ein Zimmer im Hotel zu buchen.
MUM: Willst du mit dem Label auch andere Künstler unter Vertrag nehmen?
K: Ich will nicht Richard Branson werden oder so. Wir sprechen gerade mit einem Künstler und interessieren uns für seine neue Platte, die Firma habe ich aber nur gegründet, um Kieran Goss-Platten zu veröffentlichen. Weißt du, ich bin Künstler und muss auch aufpassen, Zeit dafür zu haben. Ohne ein gutes Produkt lohnen sich Promotion und Arbeit nicht. Du kannst die beste Promotion kaufen, aber wenn die Platte scheiße ist, dann bleibt sie scheiße. Ich bin zufrieden, dass ich mir Zeit genommen habe. Nach dem Erfolg von “Worse Than Pride” in Irland gab es Leute, die gesagt haben, ich müsse so schnell wie möglich eine neue Platte veröffentlichen. Dieser Versuchung habe ich aber widerstanden. Jetzt sind 13 Lieder auf der Platte, aber um 13 gute Lieder zu haben, musst du mindestens 30 Lieder schreiben. Du brauchst also Zeit. Ich habe mir also ein Jahr ohne Tournee und Promotion Zeit gelassen, habe jeden Tag um 7 oder 8 Uhr die Arbeit im Studio begonnen, und ich habe eine Platte aufgenommen, auf die ich stolz bin.
MUM: In Irland bist du einer der bekanntesten Künstler?
K: Ja. Mit der neuen Platte bin ich auf Platz 5 der Charts gewesen. Vor zwei Monaten ist sie in Irland veröffentlicht worden, und sie hat schon Platinstatus, das ist okay. Ich habe eine neue Single, die erfolgreich ist.
MUM: Welche?
K: “Moments In Time”. Ich hatte vorher auch noch nie ein Video, aber zu diesem Lied habe ich ein animiertes Video, das sehr oft im Fernsehen läuft. Weiß du, als Singer/Songwriter ist es nicht einfach, ein interessantes Video zu drehen. Du siehst denjenigen immer mit seiner Gitarre, vielleicht am Strand oder auf den Straßen, aber das ist etwas langweilig. Ich wollte da etwas anderes machen, und ich habe Freunde, die animierte Filme machen. Wir haben meinen Kopf mit animierten Dingen vermischt, das ist lustig und gut, vor allem genau das, was niemand von Kieran Goss erwartet haben.
MUM: Wie ist das hier mit Singles?
K: “Hand Upon My Heart” ist Ende Juli veröffentlicht worden, wir haben aber vor, “Moments In Time” im nächsten Januar auch hier zu veröffentlichen, auch weil wir das Video haben.
MUM: Hast du ein Lieblingslied auf der Platte?
K: Mein Lieblingslied ist “Reasons To Leave”, weil es persönlich und universell zugleich ist. Das Lied handelt über Generationen und warum sie Irland verlassen mussten. Ich habe eine Schwester in Kanada, ich habe eine Schwester in Australien und einen Bruder in London. Ich habe das Lied zusammen mit einem Songwriter aus Nashville geschrieben, Rodney Crowell. Wir wollten ein Lied schreiben, dass persönlich und für die Welt ist. Ich denke, das Lied wollen die Menschen vielleicht noch in 20 Jahren singen, hoffentlich.
MUM: Mein Favorit ist ja “Our Love Endures”, das ist ein wunderschönes Liebeslied.
K: Der Manager von Ronan Keating hat mich angerufen, kurz nachdem die Platte veröffentlicht wurde. Er meinte, Ronan liebe dieses Lied und man wolle eine Demoversion machen, wo Ronan das Lied interpretiert. Ich meinte: “Kein Problem, macht das, schickt mir dann das Geld.” (lacht)
MUM: Schreibst du viele Lieder mit anderen zusammen?
K: Früher habe ich nur alleine geschrieben, aber in der letzten Zeit schreibe ich öfter mit anderen Songwritern. Ich finde das gut und schlecht zugleich. Es kommt darauf an. Wenn der Mensch auf der anderen Seite vom Tisch versteht, was ich erreichen möchte, dann klappt das sehr gut. Solche Erfahrungen machte ich mit Rodney Crowell oder Brenda Russell, das sind ganz tolle Songwriter. Die verstehen genau, wie das geht, und dass man eine Verbindung zueinander haben muss, um gemeinsam ein Lied zu schreiben. Aber ich habe auch schlechte Erfahrungen gemacht. Ganz besonders in Nashville gibt es viel Songwriter, die wollen nur Geld verdienen, die geben sich keine Mühe, deinen künstlerischen Anspruch zu erkennen. Bei denen kannst du Geld riechen, die wollen einen Hit schreiben. Ich habe das nie versucht. Ich schreibe Lieder. Man kann dann vielleicht sagen, dass ein Song gut zu Celine Dion oder Whitney Houston passen würde, aber wenn du so schon anfängst, mit der Idee, Hits zu schreiben, dann ist das der falsche Weg. Das macht man für Boygroups, aber ich habe dafür keine Zeit. Inzwischen aber habe ich die Wahl und bin sehr vorsichtig, mit wem ich schreibe, weil durch den Erfolg in Irland viele Leute mit mir schreiben wollen.
MUM: Schreibst du auch für andere Künstler?
K: Nicht absichtlich. Ich schreibe immer für mich selbst, aber manchmal schreibe ich auch ein Lied, das nicht so zu Kieran Goss passt. In der Entstehungsphase von “Red Letter Day” habe ich auch Lieder geschrieben, die zwar gut zu Kieran Goss passen, aber nicht im Rahmen dieser Platte. Ich habe versucht, nicht einzelne Songs aneinander zu reihen, sondern vor allem eine Gesamtstimmung zu schaffen. Ich könnte keine Lieder für jemanden auf Bestellung schreiben. Wenn man mich anrufen würde, ob ich ein Lied für Celine Dion schreiben möchte, dann wüsste ich nicht, wie ich das mache. Wenn ich Lieder habe, die noch nicht verwendet sind, dann könnte ich diese schicken, aber das ist auch alles.
MUM: Dann wärst du aber vielleicht nicht mehr traurig, sie auf Platz 1 zu sehen. Du hast doch auf dem Showcase in Köln erzählt, dass du auf Platz 2 der Charts warst, sie aber mit “My Heart Will Go On” ewig den Platz an der Sonne blockiert hat.
K: Ja, sie hatte die riesige Unterstützung von Hollywood und diesem großen Schiff, das war nicht fair. Ich hatte nur meine Gitarre und meine Glatze.
MUM: War “Worse Than Pride” erfolgreicher als das neue Album?
K: “Worse Than Pride” habe ich vor zwei Jahren veröffentlicht und die Platte hat jetzt etwa 40.000 Kopien verkauft. “Red Letter Day” kam vor zwei Monaten raus und hat jetzt 15.000 Einheiten verkauft. Ich denke, die Platte wird erfolgreicher sein, aber wir werden sehen.
MUM: Fandest du die “Worse Than Pride” zu ruhig?
K: Nein, aber sie hatte keinen roten Faden. Du musst eine Atmosphäre schaffen, eine Stimmung. Die Platte hatte viele gute Lieder, aber die Verbindung ist nicht da. Bei “Red Letter Day” wollte ich eine altmodische Platte machen wie Van Morrisson oder Joni Mitchell, auf der anderen Seite aber eine moderne Platte, mit eingängigen Melodien. Wenn du eine Platte ohne Hits hast, dann hört sie niemand. Lieder wie “Hand Upon My Heart” und “Moments In Time” sind sehr poppig, aber das ist okay. Ich bin ein Fan der Beatles. Aber das ist nur eine Seite, und ich wollte nicht 13 Pop-Lieder machen, sondern eine Mischung aus Radio-Liedern und welchen für zuhause, mit einem roten Faden.
MUM: Würdest du sagen, dass es auch inhaltlich einen roten Faden gibt?
K: Nein, der rote Faden ist die Stimmung. Manchmal ist die Platte ruhig, manchmal poppig, sie ist altmodisch, aber auch modern. Ich hoffe, sie ist immer melodisch, und dass man sich nach dem Hören wohl fühlt. Ich finde viel Platten heutzutage zu laut, daher wollte ich eine Platte machen für Leute, die einfach gute Lieder mögen, und dass man sie auch in 20 Jahren noch gerne hört.
_____________________
MUM: Mucke und mehr
K: Kieran Goss