Nach zwei Jahren im Exil auf dem Flugplatz in Mendig, die von Wetterkapriolen und damit verbundenen Unglücken bis hin zum Festivalabbruch 2016 geprägt waren, hatte die Meldung, dass ROCK AM RING seinem Namen 2017 wieder Ehre machen und zum Nürburgring zurück kehren würde, Freude und Begeisterung unter den Fans und Besuchern ausgelöst. Veranstalter Marek Lieberberg Konzertagentur und die Ringbetreiber hatten sich schließlich auf eine Rückkehr des Festivals an seinen Originalschauplatz einigen können – kein Wunder also, dass die Tickets sich wieder mal gut verkauften. “Home again” war folgerichtig einer der Slogans auf den offiziellen Festival-Shirts, in denen die Massen schon anreisten oder mit denen sie sich vor Ort ausstatteten, und so fühlte es sich auch nach einer Heimkehr an.
Ab Mittwoch bereits wurden die Campingplätze bezogen, bei für die Eifel durchaus beachtlichen, sommerlichen Temperaturen – Schwankungen und vereinzelte, im Vergleich zum Vorjahr aber harmlose Gewitter nicht ausgenommen. Donnerstag wurde es umso voller – von Campern wurde uns aber bestätigt, dass die Organistation in allen Punkten hervorragend war, die Abwicklung daher erleichtert wurde – wobei diverse Staus in den Stoßzeiten natürlich nicht vermieden werden konnten, das geht bei solchen Massen einfach nicht. Ansonsten aber lief alles gut, Sicherheitshinweise wurden ausreichend gegeben, die Besucher fühlten sich gut aufgehoben und feierten fröhlich vor sich hin.
Am Freitag sollte es dann losgehen und die Tore zum Festivalgelände wurde geöffnet. Die Digitalisierung der Gesellschaft hinterließ hierbei deutliche Spuren. Na klar gab es weiterhin Hinweisschilder, ausgedruckte Spielpläne etc., aber viele der Besucher bezogen ihre Infos inzwischen über die App oder den Facebook-Kanal des Veranstalters zum Festival, die Infos auf überzeugende Art und Weise lieferten, mit aktuellen Updates und jeder Menge unterhaltsamen Inhalten komplettiert. Wer keine Karte hatte und zu Hause vor dem Fernseher auf Übertragungen hoffte, wurde dieses Jahr nur spärlich bedient – 3Sat sollte am Samstag ab 20.15 Uhr einige Ausschnitte bringen und das Konzert der Toten Hosen live übertragen, aber sonst blieben die gewohnten, vielen Übertragungen in 2017 aus und verlagerten sich ins Netz. Auf der offiziellen Website zum Festival www.rock-am-ring.com gab es Streams, und die Telekom präsentierte im Rahmen des Events ihre neue Plattform MagentaMusik 360, auf der man im Web oder per App auch Konzerte im HD-Livestream in 360° erleben kann – bei Rock am Ring mit 20 HD- und vier 360°-Kameras eingefangen noch kostenlos, und auch auf EntertainTV für Telekom-Kunden zu sehen, in Zukunft dann bepreist. Zusätzlich gab die Telekom in der Pressekonferenz am Ring bekannt, dass MagentaEINS Kunden über MagentaMusik 360 nun auch in den Genuss von exklusiven Vorverkäufen kommen würden, so bereits ab dem 4. Juni, wenn Tickets für die Konzerte von Sting 48 Stunden vor dem offiziellen Vorverkaufsstart angeboten würden. Na ja, die Kunden und digitalen Nerds wird es freuen, vor allem mit 360°-Ansichten, für die Masse derjenigen, die Ticket-Gleichberechtigung bevorzugen und tagelange TV-Übertragungen vom Ring geliebt haben, ist das Ganze – so logisch es heutzutage auch sein mag – schon durchaus schade.
Der Freitag präsentierte sich in bester Laune für den Start ins Festival. Bei sommerlichen Temperaturen bis zu 24 Grad machten sich die ersten Besucher auf zum Gelände, das drei Bühnen bereit hielt. Die “Volcano Stage” als Hauptbühne sah für den Abend die Broilers und dann Rammstein als Hauptacts vor, auf die sich die meisten Fans freuten. Auf der ebenfalls noch viel Publikum vor sich fassenden “Beck’s Crater Stage” in einer Senke der Rennstrecke standen Liam Gallagher, Bastille und in der Nacht dann noch Marteria auf dem Programm. Die kleinere, in einer Kurve liegende “Engelbert Strauss Alternastage” sollte kleineren Acts wie Schmutzki oder The Living End Gehör verschaffen. Zusätzlich sollten ab 21 Uhr dann noch jeden Abend DJ-Sets im “Beck’s Club Tent” gespielt werden.
Mehr und mehr Musikbegeisterte kamen Freitag am frühen Nachmittag auf das Gelände und verteilten sich vor die Bühnen, oder aber in den anderen Bereichen. Hier wurde viel Entertainment geboten wie ein witziges kleines Fußballturnier von Bifi, ein trojanischer Platzhirsch mit bestem Ausblick von Jägermeister, die Rockstar Villa zum Abhängen, Selfie-Maschine im SWR3-Zelt, Kreatives im Beck’s Truck, Schilderbemalung mit DasDing, Tanzen im Magma Disco Tent oder kostenpflichtige Bespaßung wie Bungee-Jumping oder der Kirmesbereich Luna Park mit den Fahrgeschäften Commander, Wellenflug und einem Riesenrad, von dem aus man einen tollen Überblick über das Gelände hatte. Dazu kamen natürlich Verkaufsstände für rockige Shirts und vieles mehr sowie eine riesige Menge an Fress- und Trinkbuden, wo man seinen Hunger und Durst bestens stillen konnte, mit einer äußerst abwechslungsreichen, multikulturellen Mixtur an Angeboten. Übrigens waren die Ausgabestellen für Trinkwasser mit Fahnen gut gekennzeichnet, nachdem ja jegliches Mitbringen von Tetrapaks kurzfristig aus Sicherheitsgründen untersagt wurde – sicherlich eine sinnvolle Entscheidung heutzutage.
Musikalisch ging es dann natürlich auch zur Sache. Auf der Volcano Stage eröffneten Sondaschule und Skindred, bevor mit In Flames ein erster größerer Act aufspielte. Auf der Beck’s Crater Stage hatten Razz kurz nach 14 Uhr das Festival eröffnet, es folgten Bands wie Welshly Arms oder das artfremde, klassische Duo 2Cellos, das zeigte, dass Pogo auch zu Cello-Musik funktionieren kann, und einen insgesamt feinen Gig hinlegte – und die folgenden Simple Plan stellten dann die Ohren wieder auf Rock ein. Auf der Engelbert Strauss Alternastage spielten Bands wie Me And That Man oder Red Sun Rising, später noch Mallory Knox und Basement.
Die Stimmung erreichte einen ersten Höhepunkt mit dem Auftritt der starken Five Finger Death Punch auf der Hauptbühne. Hierzu waren die Massen nun auch erstmals richtig füllend anwesend, wollten sich den 75-minütigen Gig nicht entgehen lassen:
Der charismatische Frontmann Ivan Moody überzeugte mal wieder mit seinem von Shouten über progressive, druckvolle Phasen bis hin zu melodischem Singen reichenden Stimmrepertoire, die Band mit abwechslungsreicher Metal-Musik. Starkes Konzert einer Combo, die nicht umsonst vom Geheimtipp zu einem größeren Namen im Rockbusiness geworden ist.
Ab 20 Uhr lieferte Rag ‘N’ Bone Man mit seinen schönen, souligen Songs ein ruhiges Gegenstück auf der Beck’s Crater Stage ab – seit seinem großen Hit “Human”, den er natürlich am Ende des Sets auch spielte, ja ein Künstler, den jeder kennt.
Viele Fans aber verharrten vor der Volcano Stage, zu deren vorderen zwei, durch Wellenbrecher-Gräben komplett abgetrennten Bereichen man nur durch ein von den Veranstaltern geschickt mit Ampeln installiertes Zugangssystem von der Seite durch die Boxengasse gelangte, was große Drängeleien von hinten nach vorne unsinnig machte – hier also ein weiteres Lob an die Verantwortlichen, das ist gut gelöst! Auch die zwischen den Gigs immer wieder kehrenden, aber in ihrer Frequenz nicht nervenden Sicherheitshinweise bzgl. Blitzschutzzonen etc. zeigten, dass Sicherheit extrem wichtig genommen wird.
Die Broilers spielten als nächste auf der Volcano Stage, und nachdem sich die Combo aus Düsseldorf ja in den letzten Jahren zu Überfliegern gemausert hat und ihre Alben “Noir” und “(sic!)” auf Platz 1 der Charts kletterten, wollten die Massen natürlich eine fette Punk-Ska-Party mit der Band um Sänger und Gitarrist Sammy Amara feiern. Die gab es dann auch, und die Stimmung war prächtig – bis nach etwas mehr als 30 Minuten um ca. 21 Uhr Marek Lieberberg in Polizeibegleitung auf der Bühne erschien und das Festival auf Grund einer terroristischen Gefährdungslage unterbrochen werden musste. Das Ganze wurde den natürlich mega enttäuschten Fans ruhig und gut erklärt, und Lieberberg war anzusehen, wie geschockt auch er über die erneute Unterbrechung war nach allem, was letzten Jahr passiert war. Mit dem Hinweis, dass man aktuelle Infos zum weiteren Verlauf über Social Media und Ansagen streuen würde und dass man mit Rammstein sprechen würde, ob sie ihren Gig in den Folgetagen nachholen könnten, wurden die Massen in die Nacht entlassen. Schlimm, aber nach dem Terror in Manchester war offensichtlich allen bewusst, dass Sicherheit nun an erster Stelle stehen muss, und so machten sich die Fans lobenswert ruhig und besonnen auf den Weg zurück zu den Zelt- und Parkplätzen, ohne jede Panik. Dabei gesungene Lieder wie “Lust am Leben” oder “You’ll Never Walk Alone” erzeugten beim einen oder anderen Gänsehaut, und alle hofften nur, dass die Ermittlungen erfolgreich sein würden und man am nächsten Tag weiter feiern könnte. Auf einer einberufenen Pressekonferenz gab es dann noch einige Infos zu den inzwischen jedem bekannten Hintergründen. Die Stimmung auf den Zeltplätzen war danach und nachts friedlich, von Trotz geprägt, dass man sich vom Terror nicht das Leben vermiesen und das Feiern verderben lassen würde.
Am Samstagmorgen wusste man schon etwas mehr – und dass um 11 Uhr in einer Pressekonferenz bekannt gegeben würde, ob und wie es weiter gehen würde. Kein Wunder also, dass die Spannung groß war und die Zahl der Medienvertreter nochmal deutlich anstieg. Um 10.40 Uhr dann bereits kam die von allen erhoffte Nachricht über die App und die Social Media Kanäle:
Es konnte also weiter gehen. In der Pressekonferenz wurde dann allerdings auch verkündet, dass Rammstein leider dieses Jahr nicht mehr bei Rock im Ring auftreten würden. Sehr schade für alle, auf dieses spektakuläre Konzert verzichten zu müssen, aber die Erleichterung, dass das Festival überhaupt weiter geführt werden konnte, war umso größer. Nicht zu vergessen die Erleichterung, dass sich der Terrorverdacht nicht bestätigt hatte – und die ausgeführten Gründe für den Stopp am Freitag konnte jeder nachvollziehen. Zudem wurde bekannt gegeben, dass die Broilers zurück kehren würden, um ihr unterbrochenes Konzert eine Stunde lang fortzusetzen am frühen Abend – na immerhin!
Wettertechnisch präsentierte sich der Nürburgring am Nachmittag weit besser als angesagt. Gewitter und Regen blieben aus, während es übrigens in Mendig, dem Austragungsort der letzten beiden Jahre, mächtige Gewitter und Platzregen gab.
Als erstes Highlight spielten die Donots um 15 Uhr auf der Hauptbühne, und die Jungs aus Ibbenbüren bereiteten viel Spaß. Sänger Ingo brachte beim Opener “Wake The Dogs” sogar die Fotografen durch Aufforderung zum Hüpfen, etablierte im Publikum “Hu ha” als Antwort auf die Frage “Geht es euch gut?” und begrüßte bei “Alles muss kaputt sein” Koljah und Panik Panzer von der Antilopen als Gäste. Als Coverversion machte zudem “We’re Not Gonna Take It” von Twisted Sister Freude. Starke 40 Minuten der Band, gefeiert von einer für die Uhrzeit gigantischen Menge – offensichtlich waren alle erleichtert und hatten sehr viel Bock auf gute Livemusik.
Von dieser gab es gleich noch mehr. Mit Sum 41 folgte die nächste Band, die abgefeiert wurde. Neben eigenen Songs wie den umjubelten Klassikern wie “Fat Lip”, “Still Waiting” oder “We’re All To Blame” stimmten Deryck Whibley und seine Jungs auch ein paar Takte von Metallica oder die Riffs von “Seven Nation Army” an, und sie spielten eine stimmungsvoll flotte Coverversion von Queens “We Will Rock You”.
Bei Wirtz wurde es dann wieder deutlich leerer vor der Hauptbühne – ehrlich gesagt hätte er lieber vor den Donots spielen sollen für die perfekte Dramaturgie. Auch wenn sich Wirtz Mühe gab, viele wanderten nochmal zurück zum Zeltplatz oder rüber zu Machine Gun Kelly, Dat Adam oder RavenEye. Dat Adam klangen hierbei übrigens durchaus ansprechend, wäre der nervige Autotune-Effekt nicht ständig präsent. Da gingen Liebhaber harter Töne doch eher nebenan, wo der Rabe regierte und nach RavenEye dann The Raven Age mit ihrem Goth-Metal folgten.
Nach dieser kleinen Erholungsphase wurde ein prächtiger Konzertabend eingeleitet. Unter großem Jubel setzten die Broilers ihr Konzert fort, und genau dieser Moment ließ einen extrem spüren, dass man sich nicht von Terror und Hass vom Feiern abhalten lässt, zusätzlich zu hochgehaltenen Schildern wie “Terror sucks” oder “Terror ist so toll wie Dünnschiss ohne Klopapier”. Mit “Zurück zum Beton” wurde abgerockt, bevor Sammy den Fans für das Verhalten vom Vortag dankte und rechten Populisten, die das Geschehen vom Vortag im Netz zu ihren Gunsten auszunutzen versuchten, den verbalen Mittelfinger zeigte. Später fügte er noch hinzu, dass mit Terroristen und Rechten “Wichser auf beiden Seiten” seien, von denen man sich abgrenzen müsse. Ob “33 RPM”, “Ist da jemand?”, “Keine Hymnen heute”, “Nur nach vorne gehen”, “Held in unserer Mitte” mit Aufforderung zum gößten Circle Pit der RAR-Geschichte oder das abschließende “Meine Sache”, die Stimmung war bestens, auf und vor der Bühne – starker Gig!
Mit den Beatsteaks folgte der nächste Hochkaräter aus deutschen Landen. Mit “Summer” legten die Berliner los und hatten das Publikum sofort fest im Griff – Arnims geäußerte Bitte “Feiert das Leben, feiert diesen Tag” wurde entsprechend direkt umgesetzt. Als dann “Let Me In” bereits früh im Set gespielt wurde, war die Stimmung natürlich umso famoser, und alle wurden auch wieder zum Setzen aufgefordert, um danach wild zu schreien und herum zu hüpfen. Das Konzert der Beatsteaks brachte ein Highlight nach dem anderen, so dass sich sogar ein Rollstuhlfahrer unter Applaus der Menge über deren Köpfe heben ließ – das sieht man selten. “Automatic”, “Jane Became Insane”, “Hand In Hand”, “I Don’t Care as Long As You Sing” oder “Cut Of The Top” – einfach starke Songs. Als neuen Song gab es zudem “Hate To Love” mit Jamie T. als Gast, und als Tribut an den verstorbenen Motörhead-Sänger Lemmy spielten die Beatsteaks “Ace Of Spades”. Gegen Ende stellte Arnim noch fest “Die Welt ist ein komischer Platz im Moment” und platzierte dann noch die wichtige Bitte “Macht euch stark gegen Leute, die Hass predigen. Macht euch stark gegen Nazis. Macht euch stark gegen Arschlöcher. Haltet nicht die Fresse, niemals!”
Auf den anderen Bühnen ging es natürlich auch weiter, aber 187 Strassenbande, Bonez MC & RAF Camora, Motionless In White oder Suicide Silence konnten natürlich keine großen Massen anziehen und spielten so hauptsächlich vor eigenen Fans, während Unentschlossene sich das Programm der Hauptbühne nicht entgehen lassen wollten. Das änderte sich kurz nach 23 Uhr, als die Beginner auf der Beck’s Crater Stage auftraten. Nicht nur HipHop-Fans wollten sich das Konzert der Hamburger nicht entgehen lassen. Mit “Ahnma” eröffneten Jan Delay, Denyo und DJ Mad ihr Set, boten dann eine gute Mischung aus Klassikern wie “Hammerhart”, “Füchse” oder “Liebes Lied” und aktuellen Stücken aus dem Album “Advanced Chemistry” wie “Schelle”, “Rap & Fette Bässe”, “Kater” oder am Ende “Rambo No. 5”.
Auch wenn der Andrang bei den Beginnern alles andere als klein war, wurde es vor der Volcano Stage mega voll, als Die Toten Hosen um 23 Uhr den Ring rockten, wieder mal. Campino begrüßte die Fan-Massen und musste feststellen, dass passenderweise auch der so oft hier als Begleiter angetroffene Regen eingesetzt hatte – immerhin erst abends. Noch ein Wort zu Campino: Es war ganz toll, zu sehen, dass sich der Hosen-Sänger während des Broilers-Konzerts auf dem Dach der bei den meisten Fans verhassten Tribüne lange 40 Minuten Zeit nahm, um mit jedem der dort befindlichen Rollstuhlfahrer oder anderen Menschen mit Behinderungen Fotos schießen zu lassen – klasse Aktion! Nun also stand er auf der Bühne und rockte mächtig ab. Mit “Urknall” ging es nach einem grandiosen Intro los, und die Stimmung war nach ein paar lobenden Worten zum Verhalten vom Vortag sofort am Siedepunkt, als dann “Auswärtsspiel” und “Weil du nur einmal lebst” folgten. Mit “Heute hier, morgen dort” zollten sie Liedermacher Hannes Wader Tribut, spielten Klassiker wie “Bonnie & Clyde”, “Steh auf, wenn du am Boden bist”, “Wünsch dir was”, “Hier kommt Alex” und “Zehn kleine Jägermeister”. Bei “Wie viele Jahre” wurden alte Fotos aus der Bandkarriere eingeblendet, bei “Alles aus Liebe” leuchteten blaue Laserstrahlen in den Himmel, bei “Pushed Again” hüllten kontrolliert gezündete Pyros den Fanbereich in rotes Licht und Rauchschwaden – alles nur Bruchteile einer perfekten Show. Zu Beginn der ersten Zugabe spielten die Hosen das geforderte “Eisgekühlter Bommerlunder”, auch wenn Campino so tat, als wollte man dies eigentlich nicht tun – Spaß haben sie ja doch immer dabei. “Freunde”, “Halbstark”, Yankees-Cover “Hang On Sloopy” und “Tage wie diese” – ausgelassener kann die Stimmung der Fans um kurz vor 1 Uhr kaum sein. Mit einem gemeinsamen “You’ll Never Walk Alone” beendeten die Hosen eine tolle, zweistündige Party.
Und das war ja noch nicht alles. Um 1 Uhr spielten schließlich noch Kraftklub als Late-Night-Special, und live sind diese ja immer einen Besuch wert, auch im Regen bei inzwischen kühlen Temperaturen. Mit “Am Ende” legten die Jungs aus Chemnitz und spielten dann ein stimmungsvolles Set. Als Band in Schwarz präsentierten sich Felix und Co. hierbei nicht, sondern standen mit roten Jacken über weißen Shirts auf der Bühne, ebenso wie dir mitbegrachten Tänzerinnen. So gab es also auch noch was für die vielleicht langsam schon müden Augen, während Songs wie “Ich will nicht nach Berlin”, “Unsere Fans” oder “Schüsse in die Luft” gefeiert wurden. Mit “Songs für Liam” schließlich wurden die Besucher nach 80 Minuten in die Nacht entlassen.
Der Sonntag begann mit Erschütterung über den vorabendlichen Terror von London, wo es ja leider wirklich zu Anschlägen und vielen Opfern inklusive Toten kam – und mit guten Nachrichten für Rock am Ring. Dass die Wettervorhersage gut aussah, war eine davon, die weitaus bessere aber noch, dass Marteria sein am Freitag ausgefallenes Konzert nachholen würde, mit einer Stunde am Nachmittag, dazu gleich mehr. Eröffnet wurde der Tag mit Kaiser Franz Josef und Code Orange auf der Hauptbühne, während die anderen Bühnen von Frank Carter & The Rattlesnakes, Slaves, Lemo und Okta Logue beackert wurden.
Der erste von wirklich vielen erwartete Gig gehörte dann um 16 Uhr der französischen Death-Metal-Band Gojira, die auch mit einigen Flammensäulen einheizten, dazu natürlich mit ihren starken Songs. Parallel spielte H-Blockx-Frontmann Henning Wehland auf der Crater Stage, zog aber weit weniger Publikum an, musikalisch gesehen völlig verständlich. Nach Gojira boten dann die Australier von Airbourne den Fans der Hauptbühne traditionellen Hardrock und zeigten, wie man auch die Ansagen zwischen den Songs schreien statt sprechen kann, und wie man sich als Sänger und Gitarrist auch mal einfach auf Roadie-Schultern durch die Sicherheitsgräben tragen lassen kann – alles unterhaltsam. Für uns Zeit, zur Beck’s Crater Stage zu schlendern, denn hier stand nun also doch noch Marteria auf dem Programm.
Die Veranstalter hatten es geschafft, eine Stunde Marteria zu ermöglichen, bevor der dann (vermutlich per Helikopter) nach Nürnberg geschafft wurde, um dreieinhalb Stunden nach dem Ende hier bei Rock im Park das Festival zu beenden. Marteria sah man seine Begeisterung an, doch noch am Ring spielen zu können, und er war auch ein bisschen stolz darauf, dass vor ihm noch niemand bei beiden Festivals an einem Tag aufgetreten war. Der Rapper aus Rostock legte einen tollen Gig hin und die Masse vor der Bühne, vermutlich mehr als bei Alter Bridge vor der Hauptbühne kurz danach, tanzte und sang begeistert mit, ließ die Arme schwingen, hatte mächtig Spaß. Marteria spielte Songs des neuen Albums “Roswell” und auch einige Klassiker wie “Kids (2 Finger an den Kopf)”, “OMG” oder “Marteria Girl” – aber keine Marsimoto-Stücke, was logistisch für den spontanen Gig nicht hingehauen hätte. Marteria ließ die Fans sich hinsetzen um dann auszurasten, und am Ende brachte er viele noch dazu, ihre Shirts durch die Gegend zu werfen. Zwischendurch traute er sich sogar ins Publikum, welches eigentlich hierfür eine Gasse bilden sollte, die sich dann aber bald in eine Masse auflöste, aus der der Rapper nur mit etwas Mühe wieder zur Bühne zurück fand. “Hat ja fast geklappt mit der Gasse”, meinte er anschließend mit einem Grinsen, um “Aber das ist Marteria, das ist Ausrasten” hinzu zu fügen. Klasse Gig, und das Wetter spielte trotz dunkler Wolken auch mit, erst danach gab es einen für Ring-Verhältnisse kurzen Schauer.
Klasse ging es auch weiter. Auf der Volcano Stage hatten sich die Prophets Of Rage angesagt. Erstmals in Europa lieferte die sogenannte Supergroup, die aus Mitgliedern der Bands Rage Against the Machine, Public Enemy und Cypress Hill besteht, ein einfach nur geiles Konzert ab. RATM-Gitarrst Tom Morello (Gitarre) spielte wie immer grandios, dazu sind Tim Commerford (Bass) und Brad Wilk (Schlagzeug) von der Band mit am Start. An den Mikros leben sich Public Enemy Rapper Chuck D und B-Real von Cypress Hill aus, dazu ist als DJ noch DJ Lord von Public Enemy mit am Start. In dieser Konstellation spielten die Musiker neben dem eigenen Song “Unfuck The World” jede Menge Klassiker aller drei Kult-Bands, womit sie für hervorragende Stimmung sorgten – wie auch mit der großen “Fuck Trump”-Message auf der Rückseite der Gitarre. Von RATM gab es “Take The Power Back”, “Guerrilla Radio”, “Know Your Enemy” und den natürlich riesig gefeierten Abschluss “Killing In The Name”, von Public Enemy das namensgebende “Prophets Of Rage” und den Hit “Fight The Power”, von Cypress Hill “How I Could Just Kill A Man” und in einem Classic HipHop Medley, bei dem Chuck D und B-Real auch die Nähe der Fans suchten, auch “Insane in the Brain” – wo dann auch zur Freude aller noch “Jump Around” von House Of Pain gefeiert wurde. Als Tribut an den verstorbenen Chris Cornell spielten die Prophets Of Rage zudem Audioslaves “Like A Stone”, für das Serj Tankian von System Of A Down als Gast auf die Bühne kam.
So langsam neigte sich Rock am Ring 2017 dem Ende zu – aber nicht, ohne dass System Of A Down selbst natürlich noch ein würdiges Abschlusskonzert gaben. Die armenisch-amerikanische Combo aus Kalifornien lieferte ein gewohnt grandioses Set ab und wusste mit ihrem Metal zwischen melodischen und extrem brachialen Passagen zu einer tollen Lightshow wieder mal zu begeistern. Serj Tankian, Daron Malakian, Shavo Odadjian und John Dolmayan bescherten innerhalb der 95 Minuten natürlich jede Menge Klassiker wie “Aerials”, “Hypnotize”, “Chop Suey!”, “Lost in Hollywood” oder “Toxicity”. Bei “Psycho” ließen sie den Disco-Song “Physical” von Olivia Newton-John mit anklingen, “Cigaro” widmeten sie Sebastian Vettel. Mit “Sugar” wurden die musikalischen Aktivitäten auf der Hauptbühne für 2017 beendet.
Parallel hatten die Senkrechtstarter von AnnenMayKantereit auf der Beck’s Crater Stage für Stimmung gesorgt, zu der sich durchaus auch noch viele Fans aufgemacht hatten, die vermutlich SOAD nicht so mochten. Das Konzert konnte durchaus überzeugen, mit den gefeierten Hits “Pocahontas” und “Barfuß am Klavier” – und mit einem Zeichen gegen Homophobie, als Frontmann Henning May einen Bandkollegen küsste. Ansonsten fiel es fast schon als besonders auf, dass May auf die üblichen Interaktionen mit dem Publikum verzichtete, nicht zum Mitklatschen, Armeschwenken oder Sonstigem aufforderte. Das sah dann widerum beim letzten Konzert des Festivals wieder ganz anders aus. Macklemore & Ryan Lewis brachten nämlich viele dieser Aktionen, dazu lange Ansagen zwischen ihren Songs. Für alle, die noch Kraft hatten, legten die HipHopper aus Seattle aber einen stimmungsvollen Abschluss hin, mit Songs wie “Thrift Shop”, “Can’t Hold Us”, “White Walls” oder “Dance Off”, dazu Breakdance- und Party-Einlagen.
Ein Fazit: Rock am Ring 2017 wurde nur auf Grund der Geschehnisse vom Freitag mit dem Ausfall von Rammstein nicht zu der triumphalen Heimkehr, die es hätte sein können. Ansonsten aber war es ein tolles Festival, welches gut organisiert war und viele starke Konzerte bot, dazu noch ein besonderes Gefühl des Zusammenschweißens hinterließ – und der Ring ist halt der Ring, hier gehört das Ganze hin. Um Dinge wie am Freitag zu vermeiden, will der Veranstalter nächstes Jahr noch genauer kontrollieren, die bis zu 4.000 Beschäftigten und Aufbauhelfer sollen noch besser überprüft werden. Über die Social Media Kanäle verabschiedeten sich die Organisatoren mit “Wir verneigen uns vor eurer Leidenschaft, eurem Trotz und Lust am Leben!” Na dann bis zum nächsten Jahr!
Mehr Informationen vom Veranstalter wie Fotos und News, vor allem dann auch zu Rock am Ring 2018 vom 1. bis 3. Juni, findet man auf www.rock-am-ring.com.