Travis
“The Invisible Band” (20th Anniversary Edition)
(2CD, Craft Recordings, 2021)
Nachdem uns Travis auf ihrem neunten Studioalbum “10 Songs” letztes Jahr zehn wundervolle Stücke bescherten, die mit ihren Texten und Melodien oftmals wieder unter die Haut gingen (lies unsere Rezension hier), widmen sie sich nun ihrer Historie.
20 Jahre ist es her, dass die Schotten ihr Meisterwerk “The Invisible Band” veröffentlichten, und auch wenn ihr Debüt “Good Feeling” 1997 bereits Platz 9 der britischen Charts erreichen konnte und der Nachfolger “The Man Who” 1999 sogar auf Platz 1 stürmte, war das im Juni 2001 auf den Markt gebrachte, dritte Album ihr weltweiter Durchbruch in oberste Charts-Sphären, mit Rang 3 bei uns und erneut Platz 1 in UK. Nun veröffentlichen die Indie-Pop-Rocker das Multi-Platin-Album zum Jubiläum neu gemaster in einer Deluxe Edition mit Bonustracks.
Travis 2001 (© Stefan Ruiz)
Nachdem “The Man Who”, das in Großbritannien inzwischen mit 9-fachem Platin ausgezeichnet wurde, auf dem heimischen Markt ein riesiger Erfolg gewesen war, war das Herangehen an einen Nachfolger gar nicht so einfach. Gitarrist Andy Dunlop erinnert sich: “Es ist nie einfach, das erste Album nach einem Erfolg zu machen. Plötzlich lasten Druck und Erwartungen auf den Schultern eines ohnehin schon kreativ herausfordernden Prozesses. Aber die Dinge sollten nicht einfach sein, und die besten Dinge sind es nur selten.”
In der Bandbesetzung mit Fran Healy (Gesang, Gitarre), Dougie Payne (Bass) und Neil Primrose (Drums) musiziert er bis heute, und die Jungs erfreuen uns immer wieder mit toller Musik. Damals lieferten sie mit “The Invisible Band” den perfekten Soundtrack zum bevorstehenden Herbst ab – heute passt das wieder, nur dass die dunkleren Jahreszeiten nun nicht mehr nur bevorstehen und auch noch pandemiegetrübt daher kommen.
Auf den 46 Minuten der Scheibe wurde schwermütiger Gitarrenpop voller Schönheit verabreicht, der einen aber nicht in Depressionen stürzen muss, waren doch ab und an durchaus fröhlichere Melodien zu vernehmen – auch wenn die Texte dazu nicht immer von Sonnenschein und Glück erzählten.
Natürlich haben sich die Ohrwurm-Singles “Sing”, “Side” und “Flowers In The Window” am meisten ins Gedächtnis eingegraben, aber es war kein Song zu finden, der langweilte oder sonst irgendwie negativ auffiel. Im Gegenteil – ob das fragile, ruhige “Dear Diary”, die leicht beschwingte Midtempo-Nummer “Pipe Dreams”, die hoffnungsvolleren “Safe” und “Follow The Light”, das verzweifelt voran kriechende “Last Train” oder der progressiver und zugleich getragen abschließende “The Humpty Dumpty Love Song” – Travis boten ein sehr stimmiges, sehr melodisches, sehr melancholisches, einfach sehr schönes Album.
Der wundervolle Longplayer, den wohl nicht nur große Fans der Band seit 20 Jahren immer wieder mal auflegen oder inzwischen streamen, erscheint nun in der Deluxe Edition von der mit dem GRAMMY® Award ausgezeichneten Tontechnikerin Emily Lazar neu gemastert zusammen mit allen originalen B-Seiten und einer Auswahl an bisher unveröffentlichten Demos, Live-Sessions und alternativen Takes.
Dougie Payne erklärt: “Aus einer Entfernung von 20 Jahren kommen schöne Erinnerungen zurück” – und das stimmt. Auf den 63 Minuten der zweiten CD finden sich zunächst einmal chronologisch angeordnet die B-Seiten. Die ebenfalls sehr schönen “Ring Out The Bell” und “Beautiful” waren ebenso wie der kraftvolle Folksong “You Don’t Know What I’m Like” und das Queen-Cover “Killer Queen” auf den verschiedenen Single-Varianten von “Sing” zu finden.
Die Live-Versionen von “Driftwood” aus dem Album “The Man Who” und dem Cover von “All The Young Dudes” der Band Mott the Hoople, beide “Live at Barrowlands” mitgeschnitten, gehörten zusammen mit dem fragilen “You’re A Big Girl Now” und der Folknummer “Ancient Train” zu den B-Seiten-Stücken von “Side”. Das Beatles-Live-Cover “Here Comes The Sun”, bei den “The Top Of The Pops”-Awards 2001 aufgenommen, war zusammen mit dem folkigen “A Little Bit Of Soul”, dem rockigeren “Central Station” und dem treibenden, ungewöhnlicheren “No Cigar” zusammen mit “Flowers In The Window” veröffentlicht worden.
Noch interessanter, wenn auch klanglich nicht auf selbem Niveau daher kommend, sind natürlich die bislang unveröffentlichten sechs Songs. Hier hören wir “Swing”, eine bisher ungehörte frühe Arbeitsversion der Hitsingle “Sing”, “Flowers In The Window” in einer akustischen Aufnahme, “Dear Diary” und “Last Train” als Demos sowie “Sing” und “Flowers In The Window” als Mitschnitte “Live on BBC” vom 7. März 2002.
Neben der 2-CD-Standardausgabe und der digitalen Veröffentlichung, die bereits eine Woche früher am 3. Dezember 2021 erfolgt, gibt es “The Invisible Band” auch auf schwarzem Standard-Vinyl, zum ersten Mal seit der ursprünglichen Veröffentlichung in diesem Format. Eine limitierte grüne Vinyl-Pressung ist über Independent Record Stores erhältlich.
Ein spezielles, limitiertes Box-Set enthält das Material auf zwei CDs und zwei 180-Gramm-Ultra-Clear-Vinyl-LPs, außerdem ein umfangreiches Buch mit ungesehenen Session-Fotos, handgeschriebenen Texten und Essays der Band sowie Beiträgen des ursprünglichen Produzenten Nigel Godrich. Eine begrenzte Anzahl handnummerierter und von allen vier Bandmitgliedern signierter Drucke ist über den offiziellen Travis-Store hier erhältlich.
Die Band hat auch die “The Invisible Band in Concert Tour” durch Nordamerika und UK im April/Mai 2022 angekündigt – vielleicht können wir ja noch auf einen Abstecher zu uns hoffen, denn dies ist das erste Mal, dass das Album in voller Länge gespielt wird, plus Material von “10 Songs” aus dem Jahr 2020 und weiteren Stücken aus der erfolgreichen Bandhistorie.
Frontmann Fran Healy sagt: “The Invisible Band ist 20! Ich hatte mir das ganze Album schon eine Weile nicht mehr angehört. Es ist ein wunderbares Werk, von den großen Singles wie ‘Sing’ und ‘Flowers In The Window’ bis zu ‘Afterglow’ und ‘Last Train’. Mit 20 Jahren klingt es großartig! Wir nehmen es auch mit auf Tournee. Wir freuen uns wirklich darauf, wieder live zu spielen.”
www.travisonline.com
facebook.com/travistheband
Bewertung: 10 von 10 Punkten
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