Jeff Tweedy
“Warm”
(CD, dBpm Records, 2018)
Nachdem die Alternative-Folk-Band Wilco 2016 ihr zehntes Studioalbum “Schmilco” veröffentlichte, entschied sich Frontmann Jeff Tweedy dazu, mal etwas solo aufzunehmen. Bereits 2014 hatte er mit seinem Sohn Spencer unter dem Familiennamen Tweedy das Album “Sukierae” auf den Markt gebracht, 2017 dann erschien sein erstes Soloalbum “Together At Last”, auf dem er allerdings keine neuen Stücke, sondern akustische Versionen von Wilco-Songs bot. Im Endeffekt liegt mit “Warm” nun also sein erstes Album mit reinen Solo-Stücken vor, ohne dass es Gerüchte gäbe, Wilco würden als Band nicht weiter existieren.
Das Erscheinen des neuen Albums geht einher mit dem seiner Autobiografie “Let’s Go (So We Can Get Back): A Memoir of Recording and Discording with Wilco Etc.”, in der Jeff über seine Vergangenheit schreibt, seine Songs und die Menschen, die ihn inspiriert haben.
Auf den 40 Minuten von “Warm” findet man elf Songs, mit denen sich Tweedy klanglich nicht von Wilco abkoppelt, sondern im Gegenteil sogar an den sanfteren und wieder akustischeren Weg anknüpft, den die Band mit ihrem letzten Album “Schmilco” eingeschlagen hatte, das weit weniger nach Alternative klang als in früheren Zeiten, und den er mit “Together At Last” noch weiter beschritt.
In den The Loft Studios in Chicago hat Tweedy mit Unterstützung seiner langjährigen Weggefährten Glenn Kotche (auch Percussionist von Wilco) und Tom Schick sowie seinem Sohn Spencer an den Drums feine Songs eingespielt, die bis auf eine kleine Ausnahme in “From Far Away” auf elektronische Klänge und Samples verzichten, also organisch daher kommen. “Ein Song kann die tote Welt da draußen plötzlich lebendig machen”, sagt Tweedy, und so hat er auch Stücke mit Botschaft zusammen gestellt, um zu bestärken und optimistischer zu machen.
Gleichzeitig blickt Tweedy zurück auf Erlebnisse seines Lebens, was die Scheibe wie den Soundtrack zur Autobiografie erscheinen lässt. Bereits der schwermütige Opener “Bombs Above” macht dies klar, mit Zeilen wie “I leave behind a trail of songs, from the darkest gloom to the brightest sun. I’ve lost my way but it’s hard to say what I’ve been through should matter to you.”
Von scheinbar gutgelauntem Folk-Pop wie der ersten Single “Some Birds”, die mit Zeilen wie “I’d love to take you down and leave you there” gut verpackte Kritik an der aktuellen US-Politik besitzt, oder “I Know What It’s Like” bis zu melancholische Perlen a la “How Hard It Is For A Desert To Die” oder “Warm (When The Sun Has Died)” bietet Tweedy durchweg starke Songs.
Ja, der Tod ist durchaus präsent auf “Warm”, durch den Verlust des seines Vaters sicher noch einmal umso mehr. Und doch leuchtet es optimistisch, wenn Tweedy in “Don’t Forget” singt: “Don’t forget, sometimes we all think about dying – don’t let it kill you.” Ein weiteres Highlight ist die besinnliche Midtempo-Nummer “Having Been Is No Way To Be” über Freiheit, Liebe und besseres Leben durch Drogenverzicht. Mit der in alter Tradition daher kommenden Protest-Hymne “Let’s Go Rain” über die Notwendigkeit einer erneutern Arche und noch mehr dem knarzig durchsetzen “The Red Brick” wird es auch mal rockiger, ohne hierbei aber komplett aus der ruhigeren und eben dem Titel entsprechend warmen Grundstimmung des Albums zwischen Folk, Country und Americana auszubrechen. Ein hervorragender Longplayer des 51-jährigen Musikers, dessen sanfter und doch gleichzeitig angerauter Gesang die Stücke veredelt.
Wilcoworld.net
facebook.com/wilcohq
Bewertung: 9 von 10 Punkten
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